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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

corruens pronus adorare in terram, das griechische προσκυνεῖν bezeichnet. Zur Erläuterung übrigens dieses sich Neigens dient noch ein russisches Volksmährchen, von der Ente mit dem goldenen Ei (Dietrich, russische Volksmährchen, pag. 125), in welchem Ambrosim, ein armer Greis, für seine Frau und seinen Sohn Brodschnitte in Stücke zerschneiden will zum Abendbrode, „da,“ heisst es, „sprang Krutschina aus dem Ofen hervor, riss ihm die Brodstücke aus den Händen und lief wieder hinter den Ofen. Da fing der Greis an, sich vor Krutschina zu neigen und sie zu bitten, dass sie ihm dieselben wiedergebe, weil er mit seiner Frau nichts zu essen habe. Die alte Krutschina antwortete darauf: ich werde dir die Brodschnitte nicht wieder geben, aber ich will dir eine Ente dafür schenken, welche jeden Tag ein goldenes Ei legt. Gut, sagte Ambrosim, ich werde heute auf jeden Fall nicht zu Abend essen; nur betrüge mich nicht und sage mir, wo ich die Ente finde. Morgen früh, sobald du aufgestanden bist, antwortete ihm Krutschina, gehe in die Stadt, dort wirst du in einem Teiche die Ente sehen, fange sie und trage sie nach Hause.“ Alles dies geschieht und der Mann wird reich. Seine treulose Gattin aber schlachtet die Ente für ihren Geliebten, weil sie gesehen hat, dass unter den Flügeln derselben steht: wer mich isst, der wird Car. Statt des Geliebten aber isst Iwan, Ambrosim’s Sohn, die gebratene Ente, und wird Car. Krutschina heisst der Kummer, die Sorge und hängt mit крушу, zerbrechen, plagen, quälen zusammen. Der Ofen ist der Platz der Hausgötter und Krutschina erscheint im Verlaufe der ganzen Sage als Göttin, die Brodschnitte als Opfer, und das wunderbare Geschenk als segensreiche Gabe für die Frömmigkeit und das Opfer. Daher neigt sich denn auch Ambrosim vor Krutschina und bittet sie. Natürlich aber ist das Gebet und προσκυνεῖν verbunden, denn es bezeichnet die demüthigste Stellung des die Gottheit Anflehenden. So berichtet denn Boxhorn (Boxhorn de rep. Moscov. P. II, pag. 45) auch, wo er vom Dienste der Zlota Baba spricht: si quae gravior calamitas gentem premit — — idolurn suum statim consulunt, quod hoc modo faciunt: coram simulacro prostrati, preces fundunt etc.

 Es ist begreiflich, dass jede Gottheit vorzüglich um die Gaben angerufen wurde, welche sie nach den Volksbegriffen vor allen anderen zu spenden berufen war. So erzählt Procosius (Chron. slavo-sarmat. ed Bandtke. Varsow. 1824. pag. 113) divinitati Zyvie fanum exstructum erat in monte, ab eius nomine Zyviec dictus, ubi primis diebus mensis Maii innumerus populus conveniens praecabatur ab ea, quae vitae auctor habebatur, longam et prosperam valetudinem. Indessen erfahren wir hier nichts weiter über die ganze Art des feierlichen Gottesdienstes, als ganz im Allgemeinen, dass die versammelte Menge von der Gottheit langes, glückliches Leben erfleht habe. Weit ausführlicher und genauer aber unterrichtet uns Saxo grammaticus über die Form und den ganzen Verlauf eines feierlichen Gottesdienstes bei den Slawen in der Stelle, wo er von Swatowit redet, aus welcher ersichtlich wird, wie genau gegliedert und bis ins Einzelne hinein bestimmt diese religiösen Einrichtungen waren. Die Stelle ist auch in anderweitiger Beziehung von grosser Wichtigkeit und wird daher später vollständig angeführt werden müssen. Für jetzt entnehme ich aus derselben nur Dasjenige, was unmittelbar hierher gehört. Nachdem nämlich Saxo erzählt hat, wie das Volk sich versammelt habe, der Tempel gereiniget und aus dem Horne des Gottes geweissagt worden sei, fährt er fort (Saxo gramm. hist. dan. L. XIV. Ed. Steph. pag. 320, 33): Veteri deinde mero ad pedes simulacri libamenti nomine defuso, vacuefactum poculum recenti imbuit, simulatoque propinandi officio statuam veneratur, tum sibi tum patriae bona civibusque opum ac victoriarum incrementa solemnium verborum nuncupatione poscebat. Qua finita admotum ori poculum nimia bibendi celeritate continuo haustu siccavit, repletumque mero simulacri dextrae restituit. Placenta quoque mulso confecta, rotundae formae, granditudinis vero tantae ut paene hominis staturam aequaret, sacrificio

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/396&oldid=- (Version vom 14.2.2021)