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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Dasein bedroht sah in dem Kampfe mit den Christen die Opferung christlicher Gefangenen als etwas den Göttern ganz besonders Angenehmes darstellte, liegt auf der Hand, nur soll man damit nicht sagen wollen, als habe die Priesterschaft erst seit diesem Zeitpunkte Menschenopfer in den slawischen Götterdienst eingeführt. Sie waren ihm eben so ursprünglich, als jedem anderen heidnischen Kultus. Für das durchgängige Vorhandensein von Menschenopfern übrigens bei allen Slawenstämmen ist wohl die Stelle im Nestor, nach Scherer’s Uebersetzung, denn leider war mir kein Original zur Hand, Seite 97 schlagend, welche ich hier anführen und dabei bemerken will, dass aus der ganzen Erzählung Nestor’s hervorgeht, wie das Christenthum in Russland sich unter weit geringeren Kämpfen eingeführt habe, als in Westen, und dass also ein besonderer Hass gegen die Christen nicht weiter hervortritt. Es ist daher darauf hin wohl kein grosses Gewicht auf den Umstand zu legen, dass in der nachfolgenden Erzählung der Waraeger, den sie betrifft, ein Christ ist, und dies hat nur Bedeutung insoweit, als diese Gesinnung auf seine Handlungsweise Einfluss hat. Nestor sagt nun Folgendes: Und Wolodimir fing an, allein zu regieren und richtete Götzenbilder auf dem Hügel ausserhalb des Thurmschlosses auf — — — und man opferte ihnen, indem man sie Götter nannte, und die Einwohner brachten ihre Söhne und Töchter und verehrten den Teufel und verunreinigten durch ihre Schlachtopfer die Erde, und der Hügel und Russland wurden mit Blut befleckt. — — — Im Jahre 6491 (983) ging Wolodimir wider die Jätwägen und bezwang die Jätwägen, eroberte ihr Land und kam nach Kiew zurück, und die Aeltesten und die Bojaren sagten: Wir wollen unter den Knaben und Mädchen losen, und auf wen das Loos fällt, der soll den Göttern zum Schlachtopfer dienen und erstochen werden. Ein Waraeger, ein Christ, hat einen schönen Sohn. Auf diesen fiel das Loos aus Neide des Teufels und die, welche zu ihm geschickt waren, kamen und sagten zu ihm: Das Loos ist auf deinen Sohn gefallen, denn die Götter wollen ihn zu ihrem Opfer haben, wir Wollen ihn also aufopfern. Dessen weigerte sich der Waraeger und wird deshalb vom zornigen Volke erschlagen. Aber aus der ganzen Erzählung leuchtet hervor, dass kein besonderer Hass der Priester das Loos etwa auf den Christen lenkte, dass also der Zufall wirklich waltete und wenn das Loos einen Anderen getroffen hätte, man auch diesen, einen Heiden, geopfert haben würde, dass also eine ganz gewöhnliche Sitte erzählt wird.

 Bei weitem weniger sind wir über Thieropfer unterrichtet, denn wir wissen nur von sehr wenigen Thieren, welche den Göttern geschlachtet wurden. Gewöhnlich melden die Quellen uns ganz allgemein litare pecudum hostias. Procopius (Procop. de bello goth. Stritter II, 28. Slavica Sect. II, §. 17) sagt: deo deorum boves et cuiusque generis hostias immolant und Helmold (Helmold Chron. I, 52. Leibniz II, 556) erwähnt: mactant diis suis de bobus et ovibus, so dass man mit Gewissheit Rinder und Schafe als Opferthiere kennt, sonst aber nichts; dass auch Pferde und Kühe geopfert wurden, erlaubt uns der Aberglaube, welcher sich bei den Wenden erhalten hat, zu schliessen. Prätorius (Praetorius Weltbeschreibung II, 162, 163) nämlich erzählt von diesen: Die undeutschen Leute pflegten zur Abwehrung und Tilgung der Viehseuchen um ihre Ställe herum Häupter von todten Pferden und Kühen auf Zaunstecken zu stecken (Adams: caput vero desectum, quod pagani conto praefigentes — deo suo — immolaverunt), auch ihren Pferden, welche Nachts vom Mohr oder Leeton matt und müde geritten würden, einen Pferdekopf unter das Futter in die Krippe zu legen, das hemme die Macht des Geistes über das Thier. Eines sehr merkwürdigen Thieropfers gedenkt noch Cosmas pragensis ed. Pelzel et Dobrowsky I, 27. bei einer Gelegenheit, von welcher später ausführlich gesprochen werden wird, der Opferung nämlich eines Esels. Den in den Kampf ziehenden Böhmen wird auf ihre Anfrage, ob sie siegen würden, von der Wahrsagerin geantwortet: Si

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/404&oldid=- (Version vom 4.8.2020)