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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

yren gode zu hulde
sacrificiren wulde
oder wen da twang des todes not,
den yngang man den nicht virbod

in den heilgin walde;
der junge oder der alde
ward ingelan dahere.

 Wir dürfen also wohl, in Betracht der Unzugänglichkeit der heiligen Stätten, den Ausdruck Храмъ als schon im Heidenthum von heiligen Gebäuden gebräuchlich annehmen und glauben, dass er später auf christliche Kirchen übertragen wurde. Noch einleuchtender ist dies von dem Worte Костелъ, denn dies weist unmittelbar auf das Heidenthum zurück, indem es durch seine Verwandtschaft mit Костеръ, Scheiterhaufen, und Костъ, Knochen, geradezu auf die bei den Slawen übliche Todtenverbrennung hindeutet. Aber auch unter den Ausdrücken, deren sich die lateinischen Schriftsteller des Mittelalters bedienen, ist einer, der uns die slawische Benennung eines Tempels aufbewahrt. Denn neben den aus den klassischen Schriftstellern entnommenen Bezeichnungen durch fanum, delubrum, templum, die freilich ohne Beweiskraft sein würden, bedienen sich die Lebensbeschreiber des heiligen Otto mehrfach des Wortes contina oder concina, das für uns von Wichtigkeit ist. Man hat den Ausdruck mehrfach erklärt. Bereits Sefried vita Otton. II, 4, 10, Acta Sanct. Antwerp. Jul. I, 403 versucht dies auf seine Weise, indem er sagt: ne forte vero minus patent legentibus, quid significent, vel unde dicantur continae, sciendum, quod slavica lingua in plerisque dictionibus latinitatem attingit, et ideo puto ab eo quod est continere continas esse vocatas. Ist diese Erklärung auch unrichtig, so hat sie doch in so fern etwas Merkwürdiges, als schon in dieser Stelle die Verwandtschaft des slawischen Sprachstammes mit dem lateinischen erkannt und ausgesprochen ist. Eine andere Ableitung des Wortes findet sich in den Wiener Jahrbüchern der Literatur B. XXVII, 90. Hier heisst es: „Die Tempel zu Stetin hiessen weder gontynae noch kontynae, sondern conczina, von konec (Ende), da sie (vier an der Zahl) an den Enden der Stadt standen.“ Aber es ist nicht richtig, dass diese Stettiner Tempel an den Enden der Stadt gestanden haben, namentlich der, worin sich das Bild des Triglaw befand, sondern vielmehr gewiss, dass sie den Mittelpunkt der Stadt ausmachten, wie es auch naturgemäss und in sonstiger geschichtlicher Erfahrung begründet ist, dass die Kirchen gewöhnlich die Kerne von städtischen Ansiedelungen wurden. Rackowiecka Prawda Ruski I, 113, 114, stellt den Namen Konczina mit Zakon, Gesetz, das Bestimmte, zur Entscheidung, zu Ende Geführte zusammen und erklärt kontyna als den Ort, in welchem Gesetze aufbewahrt oder gegeben wurden. Was sich dagegen sagen lässt, wird später vorgebracht werden, wenn von den Gerichtsstätten die Rede sein und ihr Zusammenhang mit den religiösen Einrichtungen der Slawen erläutert werden wird. Endlich hat man die Ableitung von Гонтъ, Dachschindel, und Гонтина, (Gonciana bei Mrongovius), kleine Dachschindel, versucht. Diese fertigt Hanusch Wissenschaft des slaw. Mythus, Lemberg 1843, pag. 401, sehr vornehm als „oberflächlich“ ab, obwohl sie sich am Ende doch wohl sehr gut vertheidigen lassen dürfte. So gut wie die Germanen ihre Tempel hof, halla u. s. w. genannt haben mögen, Namen, die gleichfalls blos von der äusseren Gestalt des Baues, ohne näheren Bezug auf die besondere Bestimmung des Gebäudes, hergenommen sind, eben so wohl durften auch die Slawen ihre Tempel nach dem Material benennen, aus welchem sie errichtet wurden. Es ist nicht nothwendig, dass dergleichen Bezeichnungen alle Mal eine geistige, tiefere Bedeutung haben müssen und dass eine Etymologie darum verwerflich ist, weil aus ihr keine geistreiche Folgerung oder tiefere Anschauung der Dinge für das Volk gezogen werden kann. Man darf auch nur Abbildungen von christlichen Kirchen in inner-russischen Dörfern sehen, um zu bemerken, dass sie hölzern und von der Spitze bis zur Erde mit kleinen Schindeln überkleidet sind. Die Lage dieser Tempel war verschieden. So befanden sich einige auf

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/407&oldid=- (Version vom 14.2.2021)