Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/411

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

welche die erste der oben mitgetheilten ist. Hier steht exterior aedis ambitus und ipsum vero fanum sich so offenbar gegenüber, dass es nicht zu begreifen ist, wie man mit Giesebrecht wend. Gesch. 69, not. 5 eine Undeutlichkeit spüren kann. Die Sache scheint ganz einfach. Aedes ist der ganze Complex des heiligen Gebäudes, zu welchem die Wohnung des Priesters, die Stallung für das heilige Pferd und andere Baulichkeiten gerechnet werden müssen, die sämmtlich zum heiligen Orte gehören, während fanum das Gotteshaus insbesondere bedeutet. Der exterior ambitus aedis ist also bestimmt von dem fanum zu unterscheiden und bestand wohl in einer Planke, die in angemessener Ferne das fanum umzog, so dass zwischen derselben und dem fanum ein freier Raum war. Innerhalb dieses ambitus stand nun der Tempel selbst, von dem es heist: ipsum vero fanum, duplex septorum ordo claudebant. Diese duplex septorum ordo selbst war wiederum eine innerhalb der anderen; die exterior bestand aus einer Wand, über welcher sich ein dunkelrothes Dach erhob und umschloss die interior, welche Saxo auch sacellum nennt, worin sich das Bild des Gottes befand, und die sich durch Decken bildete, welche zwischen vier Pfählen aufgehängt waren und gewöhnlich das Allerheiligste verhüllten. Nach dieser Ansicht würde also der Tempel zu Arkona aus den Theilen ambitus, fanum, sacellum bestanden, und im Grundrisse so ausgesehen haben:


a. ambitus exterior aedis.

b. fani exterior septorum ordo parietibus contextus, puniceo culmine tectus.

c. fani interior septorum ordo quatuor subnixus postibus parietum loco pensilibus aulaeis nitens — seu sacellum.

d. simularum dei.


 Auf diese Weise konnte Saxo auch sagen, dass die innerste Abtheilung des Tempels mit der äusseren nur durch das Dach und wenige Stricke zusammengehangen habe. Das Dach nämlich bedeckte beides b und c, ruhte aber blos auf den Wänden von b, während der ambitus ohne Dach eine blosse, mit genau gearbeitetem Schnitzwerke gezierte Bretterwand war. Diese Ansicht scheint durch die Beschreibung des Tempels Rugiaewit’s bestätigt zu werden. Die hier gemeinte Stelle des Saxo ist aber verderbt, und da keine Handschriften der historia danica vorhanden sind, völlig unverständlich, ohne Anwendung einer Coniectur. Sie lautet: Maius fanum vestibuli sui medio continebatur, sed ambo parietum loco purpura claudebatur, tecti fastigio solis duntaxat columnis imposito. Ich möchte dagegen lesen: maius fanum vestibuli sui moeni non continebatur, sed ambitus parietum loco purpura claudebatur. Hier fällt dann das im obigen Grundrisse mit a Bezeichnete ganz weg, b besteht statt aus Wand aus vier Pfählen, gerade wie das sacellum c, auf denen das Dach ruht, und zwischen welchen Purpurdecken hängen, wie eben auch bei dem sacellum der Fall ist. Nur so kann der Unterschied zwischen dem Tempel des Rugiaewit und dem des Swatowit hervortreten, an den Saxo offenbar gedacht hat, wenn er Lib. XIV, ed. Steph. 327 schreibt: Insignis hic vicus trium praepollentium fanorum aedificiis erat, ingenuae artis nitore visendis. Iis tantum paene venerationis privatorum deorum dignitas conciliaverat, quantum apud Arconenses publici numinis auctoritas possidebat. Nach diesem scheint es nun, als unterschieden sich die Tempel zweiten Ranges von denen des ersten im Aeusserlichen dadurch, dass sie keinen ambitus, kein caelamen und keine parietes hatten, wie diese, sondern blos ein Dach. Dass es auch Tempel des Swatowit dieser Art gab, sagt Saxo gleichfalls, und man darf sich wohl die meisten der Stadttempel so eingerichtet denken. Der

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/411&oldid=- (Version vom 14.2.2021)