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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der Civilisation. Darum hat man sich ihrer Abgeschlossenheit, ihrer dumpfen, gehässigen (sehr liebenswürdig!) Versunkenheit in sich selbst überlassen, sich wenig um sie gekümmert (nun das war doch wohl nicht schön von einer väterlichen Regierung und ist auch nicht ganz wahr; denn die Steuern haben sie wohl immer tragen müssen!).“

 Dies ist nun nach der Ansicht des Verfassers der Grund der traurigen Verhältnisse der Slawen. Seit wenigen Jahrzehnten ist daher, „namentlich unter den teutschen Slawen, ein lebendigeres Streben erwacht, jene Missverhältnisse zu beseitigen, wenn möglich, glücklichere Zeiten für ihre Stammgenossen, wo nicht für den Augenblick, doch wenigstens für die Zukunft, heraufzubeschwören, noch zu retten, was zu retten ist, nicht noch Alles zu verlieren, vielleicht sogar manches Verlorene wieder zu gewinnen; — und der Teutsche? was hat er hierzu gesagt? gethan? (Der Verfasser wundert sich, dass man es nicht gehindert). Er hat solche Bestrebungen mit der Theilnahme, die sie verdienen, aufgenommen (wann? wo?), sie freudig bewillkomnet (so? wann?), er, der jedem Biedermann mit Freundlichkeit die biedere Rechte darreicht; er, der so gern Alles Fremde, ist es nur gut, anerkennt und sich zu eigen macht, er, der so willig jedem edlen Streben Vorschub leistet (wo ist der Vorschub für das slawische Nationalstreben?); der zu seinen grossartigen linguistischen und historischen Studien gern solche Beihülfe sieht und sucht.“ Nachdem der Verfasser so einzelnes Wahre mit vielen offenbar falschen Behauptungen vermischt und zum Ruhme seines Volkes hingestellt hat, geht er siegreich auf Verdächtigungen über, um der Slawen „schwarzen Undank“ desto greller hervorleuchten zu lassen; denn er sagt: „und der Teutsche wird gewiss auch fernerhin diesen Studien und Bestrebungen mit Billigung zusehen, bleiben sie anders in den Schranken des Gesetzes, arten sie nicht in gefährliche Umtriebe aus (hört!), was freilich bereits nicht unterblieben ist (wir bitten den Verfasser, bei so kitzlichen Punkten etwas deutlicher zu sein!) und bei jenen gespannten Verhältnissen zwischen beiden Völkerschaften auch wohl ferner nicht unterbleiben wird, weshalb denn die betreffenden Regierungen immer ein wachsames Auge werden haben müssen (sehr wohl, Herr Historiker; wir fordern Sie auf, die Anstifter jener Umtriebe öffentlich zu nennen, sonst müssen wir Sie für einen Lügner halten!). — Die Slawen werden ihr hartes Schicksal nur dann mildern, wenn sie sich uns immer mehr nähern; wenn sie endlich den langgenährten Hass völlig ablegen und mit uns, unbeschadet ihrer Nationalität, ein aufrichtig freundschaftliches Verhältniss anknüpfen.“ Der „langgenährte Hass“ der Slawen ist uns unbekannt und mag wohl nur im Kopfe unseres Herrn Verfassers spuken; dass aber die Slawen, welche unter nichtslawischen Regierungen stehen, ihr Nationalinteresse ängstlich bewachen und jede Gelegenheit es zu fördern und geltend zu machen ergreifen, wird ihnen wohl Niemand verargen.

 Eine solche Versöhnung zwischen den Slawen herbeizuführen, meint der Verfasser, dazu eigne sich am besten die Geschichte des tausendjährigen Kampfes der beiden Völker. Auch wir glauben das und sind fest überzeugt, dass, wenn die teutsche Forschung jenen Kampf mit unparteiischem Auge ansehen und die Geschichte als wahres Weltgericht auch in diesem Punkte gelten lassen wird, dass dann eine Versöhnung der beiden Völker in der That möglich ist. Nur wird bei einer solchen unparteiischen Forschung es sich keineswegs heraussteilen, wie der Verfasser behauptet, „dass die jetzige Slawenwelt meist nur die Fehler und Sünden der früheren büsst, dass von Seiten des siegreichen teutschen Volkes nicht eben Raub und Eroberungssucht, nicht Ehrgeiz, nicht Ruhmgier dabei im Spiele gewesen sind, sondern dass vielmehr der Besiegten frecher Uebermuth, ihr gegenseitiger Zwist und Hader, ihre ewige Unruhe, ihr ungebührliches Missachten der Natur- und Völkerrechte, ihre steten Neckereien, Ueberfälle und Raubzüge, endlich ihr häufiger Ungehorsam und Hang zu Empörungen den Kampf hervorgerufen, immer wieder erneuert und dann endlich zu den Resultaten geführt haben, die

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/432&oldid=- (Version vom 14.2.2021)