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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Principe huldigt, hat die Entwickelung der Schädlichkeit, der Unbrauchbarkeit des eklektischen Systems ausserordentliche Wichtigkeit, und verdient, dass die Gedanken des Verfassers in ihrer ganzen Schärfe aufgefasst und von jenen Männern näher gewürdigt werden, welche an der Spitze der geistigen Bewegungen der slawischen Völkerschaften stehen. — 2) Einige Worte über die französische Universität von W. M. haben ihre Wichtigkeit vorzüglich für Posen, wo man eben damit umgeht, die Gründung einer Universität möglich zu machen und solche historische Beispiele zu seiner Belehrung recht sehr bedarf. — 4) Allgemeines Interesse beansprucht 3) der allgemeine Abriss der Lehre Towianski’s, worin eine kurze Geschichte der Schicksale und Bestrebungen dieses Propheten vorangeschickt und dann die Biesiada desselben mittheilt, in welcher er sein System in gedrängter Kürze dem General Skrzynecki vorlegte. Allein da wir hoffen, dass das Geschrei über dieses Prophetenthum in Kurzem aufhören wird, weil es sich als zu oberflächlich und wenig durchgreifend darthut, so finden wir uns nicht veranlasst, in den Inhalt derselben tiefer einzugehen. — Der Glanzpunkt dieses Heftes ist Art. 4. der Begriff der Nationalität, ein vortrefflich geschriebener Artikel; der es verdiente, in alle slawischen Dialekte, soweit dies die Umstände erlauben, übersetzt zu werden. „Ob und wie Jemand den Begriff der Nationalität auffasst, ob die Nation selbst auf dem Punkte der Selbstkenntniss angelangt ist, dass sie von ihrer Nationalität den gehörigen, einen erschöpfenden Begriff hat, — das ist für das Dasein der Nationalität und ihre naturgemässe Entwicklung ebenso gleichgültig wie für die Pflanze, die in den amerikanischen Wäldern frei emporspriesst, ob sie ein Humbold entdeckt, sie kennen lernt und mit dem gehörigen Namen begabt, ob sie ihre Landsleute mit ihrem natürlichen Sinn und Verstand erkennen und in ihr eigenes Leben einführen, oder ob sie ganz unbekannt von den Leuten zur Ehre des Schöpfers in der Reihenfolge ihrer Geschlechter in Ewigkeit fortwächst. — Wenn aber ein tödtlicher Westhauch auf die Pflanze fällt, von welcher unser Leben abhängt, auf die Pflanze, welche wir im Schweisse unsers Angesichtes und mit blutiger Mühe durch Jahrhunderte gepflegt, welche wir darum mit unserm ganzen geistigen Wesen mehr liebgewonnen haben als das Leben: dann wird es für uns nicht gleichgültig sein, ob wir ihr Leben gehörig verstehen oder nicht, ob wir die geheimen Triebfedern und die eigenthümlichen Mittel der Erhaltung ihres Lebens vollkommen kennen oder nicht.“

 „Das Leben der Nation, fährt der Verfasser weiter fort, hat drei Ausgangspunkte, von welchen es ausgeht und welche zugleich die Grenze seiner Wirkung bilden: Das Heimathsland, die vaterländische Geschichte und die Sendung der Nation. Diese drei Richtungen zusammengenommen münden sich alle in die eine Heimath, das Vaterland. Das Heimathland hat als irdisches Vaterland drei vorzügliche Anhaltspunkte, in welchen sich sein Leben zeigt, der nationale Ackerbau, die Industrie und der Handel, welche die Grundlage, den Boden bilden, auf welchem sich das Nationalleben entwickeln soll; wenn aber das irdische Vaterland mit Recht das Paradies ist, so kann das Vaterland des Geistes mit desto grösserem Rechte der Heimathshimmel genannt werden. „Denn hier finden sich alle Heiligthümer und Götter der Heimath, hier die vergötterten Geister unserer grossen Vorfahren, die berühmt im Rathe, im Kampfe und der That des Gedankens, hier in der ewigen Glorie wohnen, hier lebt mit einem Worte der ganze Geist der Nation in seiner ewigen Gestalt, hier wächst er und vervollkommnet sich in der Heimath der Gewohnheiten, der Sitten und Gebräuche und des Glaubens, in der Heimath des vaterländischen Staates, der vaterländischen Geschichte und Literatur. — Das wirkliche Vaterland umschliesst auch die Person der Nation, den Charakter und das Ich der Nation. — Wenn nun alle diese Momente den Boden des Nationallebens ausmachen, so ist „dieses selbst ein herrlicher, in drei grossen Gestalten aufgebauter Dom: der nationale Taufstein des irdischen und geistigen Vaterlandes, die Heiligencapelle der Persönlichkeit der Nation,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/441&oldid=- (Version vom 14.2.2021)