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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

zu verstehen (also nur für die deutschen Gutsbesitzer und ihre Beamten, die wahrscheinlich noch selten genug in die Kirche kommen). Uebrigens, wer wüsste es nicht zu seinem Schmerze, wie viel polnische Gemeinden es gibt, in denen auch die letzten Spuren unsrer Sprache bereits vernichtet sind. Wir hörten ja noch unlängst die Nachrichten über die polnische calvinische Kirche in Königsberg; aber wozu so weit gehen, war ja doch auch in Lissa eine polnische calvinische Kirche. Demnach empfahl der Ausschuss einem seiner thätigsten Mitglieder reformirter Confession die Sammlung von Materialien an zur Herausgabe eines polnischen Gesangbuches für die evangelischen Gemeinden in Grosspolen; auch wurden zum Gebrauche derselben Gemeinden die neuesten theologischen Schriften in der Bibliothek von Gostyn angeschafft. Diess alles ist ein hinlänglicher Beweis, dass im Schoosse unserer Gesellschaften die Liebe zu unseren Landsleuten, wären sie auch verschiedenen Glaubens, eine wahre Toleranz erzeugt.“ — Solche Bemühungen der Vereine bleiben nicht ohne Wirkung; besonders sind es die mehr oder weniger von denselben abhängigen Zeitschriften, aus deren Verbreitung man ersieht, welchen Einfluss jene Bestrebungen nehmen und besonders in wie weiten Kreisen sie denselben äussern. Unter diese Zeitschriften gehört der Przewodnik rolniczo-przemyslowy (der Agrarisch-industrielle Führer), ein von den Gesellschaften selbst herausgegebenes Blatt, das sich einer tüchtigen und kräftigen Redaction erfreut; dann der Przyjaciel ludu (Volksfreund), eine Art von Pfennigmagazin mit eingedruckten Bildern, aber für ein höher gebildetes Publikum berechnet; endlich die Szkolka niedzielna (Sonntagsschule), ein Blatt zur Belehrung und Unterhaltung für den Landmann, religiös-moralischen, ökonomischen und unterhaltenden Inhaltes; die letzteren beiden erschienen bei dem schon früher erwähnten ungemein thätigen Günther in Lissa. Diese Zeitschriften sind nun durch das ganze Grossherzogthum verbreitet; allein trotz dem haben sie nicht ausschliesslich diese Provinz im Auge. Ausdrücklich erklärt der literarische Ausschuss an derselben Stelle, er habe die Herausgabe eines besonderen Almanaches „Swjentojanka“ aufgegeben, „da er auch nicht auf einen einzigen Augenblick nur Grosspolen im Gegensatz zu den andern Antheilen Polens personificiren, noch die abseitigen wissenschaftlichen Leistungen desselben auf die Wagschale legen wollte neben den grossen Werken, wie sie in ganz Polen sich erheben zur Aufklärung und Verherrlichung des Vaterlandes. Gegen nichts hat man dabei eine solche Scheu, wie gegen einen kränkelnden Provinzialismus, und wenn wir sehen müssen, wie selbst die erhabenste Gesinnung und das edelste Herz in diesen Abgrund verfallen kann, wie das z. B. in der Ukraino-Manie geschieht, so werden wir in unserem kleinen Kreise nicht aufhören uns zu bemühen, die brüderliche Liebe hoch zu erheben über Neid und Missgunst. So wie unsere Zeitschriften alle Arbeiten, woher immer sie ihnen zugesendet werden, mit herzlicher Freude annehmen und sie sogleich der Oeffentlichkeit übergeben, so sollen auch unsere wissenschaftlichen Vereine die verschiedenartigen Bemühungen von allen Seiten zusammen bringen und zu einem Ganzen vereinigen.“ — Aus diesem Grunde ist die Thätigkeit des Vereines auch über die heimathlichen Gränzen hinausgegangen: „Der literarische Ausschuss (so heisst es an der angezogenen Stelle weiter) hat eine besondere Aufmerksamkeit auch auf den Antheil gerichtet, den die andern Provinzen an unserem literarischen Leben nehmen, und daher sorgfältig Nachrichten eingezogen, wie viel Exemplare der Zeitschriften für’s Volk, und namentlich der Szkolka niedzielna in Schlesien, Preussen und Galizien verbreitet sind. Wir müssen den Geistlichen in Oberschlesien unsern Dank sagen für ihre Bemühungen, diese Zeitschriften zu verbreiten; es gibt einzelne unter ihnen, die 10 und 20 Exemplare unter ihren Gemeinden vertheilen. In Alt-Preussen im Marienburger und Kulmer Bezirke finden diese Schriften viel weniger Abgang und doch gibt es auch dort noch viel polnische Einwohner. Es ist demnach zu wünschen, dass sie auch gleichermaassen bemüht wären, die Aufklärung unter unsern Landsleuten auszubreiten, wie der ehrwürdige Stand der katholischen Geistlichkeit in Schlesien.“ — Und weiter heisst es dann über Schlesien überhaupt: „Unsere Verbindungen mit

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/74&oldid=- (Version vom 7.10.2022)