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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 B. Nach der Sprache und der Religion; griechischen Glaubens 54,011,000: Grossrussen 35,314,000, Kleinrussen 10,154,000, Weissrussen 2,376,000, Bolgaren 3,287,000, Serbier 2,880,000. Zur unirten Kirche 2,990,000 Kleinrussen. Katholiken 19,359,000: Weissrussen 350,000, Bolgaren 50,000, Serbier 1,854,000, Chorwaten 801,000, Slowencen 1,138,000, Polen 8,933,000, Czechen 4,270,000, Slowaken 1,953,000, Oberlausitzer 10,000. Protestanten 1,531,000: Slowencen 13,000, Polen 442,000, Czechen 144,000, Slowaken 800,000, Oberlausitzer 88,000, Niederlausitzer 44,000. Mohamedaner 800,000, davon 250,000 Bolgaren und 550,000 Serbier.

 C. Nach der Sprache überhaupt: Russen 51,184,000, Bolgaren 3,587,000, Illirier 7,246,000, Polen 9,365,000, Czechen 7,167,000, Lausitzer 142,000; zusammen eine Volksmasse von 78,691,000 Köpfen.

 Eine fernere interessante Beilage bilden die Beispiele von Volksliedern aus jedem einzelnen der verschiedenen slawischen Dialekte; die Auswahl derselben ist eine glückliche zu nennen; die untenstehenden Anmerkungen machen sie jedem des Slawischen etwas Kundigen verständlich. Eine kurze Uebersicht der Städtenamen, welche im Deutschen einen andern Namen führen, beschliesst das ganze, höchst werthvolle Büchelchen, das auf seinem geringen Raume eine Masse der interessantesten Daten enthält. Es wäre unbescheiden von uns, wollten wir einem Mann wie Schafarik gegenüber, ein grosses Kritisiren anfangen; der Inhalt des Buches, den wir in einer, so viel als möglich gedrängten, Uebersicht uns wiederzugeben erlaubten, möge den einzigen Beweis liefern von dem Reichthum und der Brauchbarkeit des vorliegenden Büchleins, sowie der ethnographischen Karte, zu deren Erklärung es bestimmt ist.


Petersburger Skizzen. Von Treumund Welp. 3 Theile. Leipzig, Weber. 1842.

 Unter den Russen konnte sich in den letzten Jahren mit vollem Fug und Recht die Ansicht bilden, dass die Deutschen, sobald sie an eine Auffassung russischer Zustände gehen, eine gleiche Beschränktheit, wie die Franzosen bei Besprechung deutscher Angelegenheiten, an den Tag legen. Nur einen hierbei wichtigen Unterschied zwischen der deutschen und französischen Anschauungsweise übersehen gewöhnlich die Russen. Der Deutsche vermag es leicht, sich von falschen Vorstellungen zu befreien, sobald ihm nur Mittel zur Gewinnung einer richtigeren Einsicht geboten werden.

Um solche hellere Begriffe über russische Zustände unter den Deutschen zu verbreiten, hat es auch Treumund Welp für nöthig gehalten, mit seiner Weisheit hinter dem Berge hervorzukommen. Wenn auch sein Buch nicht dazu geschrieben ist, Bilder von Leben und Fülle zu geben, so soll es doch wenigstens ein Beitrag zur Kunde russischer Lebensweise sein. Es fragt sich nur, ob Herr Welp der Mann ist, der hierüber mehr Wahres als Falsches, mehr Seichtes als Gediegenes geben kann.

 Eine der ersten Forderungen, die man an einen solchen Skizzenmacher zu richten hat, ist, dass er der russischen Sprache hinreichend mächtig sei, d. h. dass er nicht nur im Stande sei, aus der russischen Literatur über gewisse materielle und geistige Zustände die nothigen Aufschlüsse zu schöpfen, sondern auch zugleich mit dem praktischen Gebrauch der Volkssprache so sehr als möglich vertraut sei. Von einer selbstständigen Kenntniss der russischen Literatur ist in dem ganzen Buche des Hrn. Welp, der gern den Gelehrten spielen möchte, nicht die geringste Spur; er kennt sie nur vom Hörensagen. Wie sollte er auch je einen russischen Aufsatz gelesen haben, da er bei jeder russischen Phrase, die er citirt, beweist, dass er das Russische weder richtig zu hören, noch zu schreiben und zu lesen versteht. Er hat sich in dieser Beziehung eben so lächerlich, wie Herr Kohl gemacht. Sollte daher der Skizzenfabrikant im Stande gewesen sein, die ihm von Russen gemachten Mittheilungen ohne starke Verdrehung des Sinnes derselben wiedergegeben zu haben? Einer Antwort bedarf es nicht.

 Fragt man ferner, wie und woher Herr Welp seine Notizen und Anekdoten zusammengestoppelt hat, so gewahrt man leicht, dass Alles in dieser Beziehung vom Zufalle abhing. Ihm war es nur darum zu thun, Notizen zu haben, gleichviel ob diese den Stempel der Wahrheit an sich trügen, oder ob sie bei ihrer Dürftigkeit verstanden werden oder den Leser ganz irre führen könnten. Aus solchen Einzelnheiten und Zufälligkeiten des Lebens eine Skizze oder ein Bild zusammenzuflicken, zeugt von einer gänzlichen Unkunde der Art und Weise, wie man Sitten- und Völkergemälde, sei es auch in beschränkten Sphären, zu entwerfen hat.

 Die grössten Blössen aber gibt sich Herr Welp, sobald es sich darum handelt, sich in russische Gedanken- und Lebensweise hineinzuversetzen. In dieser Beziehung erscheint er als ächter deutscher Philister (?). Weil er es in Petersburg nicht so behaglich findet, als hinter seinem schlesischen Ofen, so lässt er nun seinen Unmuth am russischen Leben aus. Daher sucht er auch, das in die Augen springende Schlechte und Verkehrte der Russen in so grellen Farben als möglich zu schildern, ohne sich viel darum zu kümmern, ob diess bei der gegenwärtigen Bildungsstufe der Nation nicht seine natürliche Erklärung finde. Wie sollte aber Herr Welp einen mehr als oberflächlichen Blick in das russische Leben thun können. Für ihn existirt dasselbe ohnediess nur, soweit seine Blicke in den Jahren 1836 und 1837 reichten. Auch würde es zu viel sein, von einem solchen literarischen Stümper zu verlangen, dass er den heutigen Zustand im Zusammenhange[WS 1] mit der frühern Entwickelung des russischen Volkes auffasse.

 Somit fällt das ganze Gebäude der Welpschen

Anmerkungen (Wikisource)

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/87&oldid=- (Version vom 26.11.2022)