Seite:Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft 097 004.jpg

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Aber er ist doch nicht in diesem begrenzten Interessenkreise stecken geblieben, sondern hat im Gegenteil seinen Blick schon früh über die Grenzpfähle der Philologie im engeren Sinne hinausgerichtet. Es mag der Einfluß Roßbachs gewesen sein, der damals wohl noch Anregung zu geben im Stande war, der ihn auf Archäologie und Mythologie hinwies; von der alten Kunst fand er dann durch das Interesse für die Kulturentwicklung der Heimat und die Eindrücke, die er in Italien in sich aufnahm, den Weg zur neueren Kunstgeschichte. So war sein Interessenkreis ungewöhnlich weit, und er pflegte ihn nicht bloß als Dilettant in seinen Mußestunden, sondern er ist auf allen diesen Gebieten auch forschend und schriftstellernd tätig gewesen. Dabei unterstützte ihn sein ungewöhnliches Gedächtnis und die Fähigkeit, auch scheinbar unbedeutende Notizen zu behalten; diese Polyhistorie setzte ihn in den Stand, Anderen bei ihren Arbeiten zu helfen, und sein Name erscheint in den Vorreden vieler Werke, weil er den Verfassern mit seinen großen bibliographischen Kenntnissen zur Hand gegangen war.

Auf dem eigentlich philologischen Gebiet waren es, wie gesagt, die Griechen, die ihn am meisten anzogen. Seine Dissertation handelte über eine sprachliche Erscheinung bei Aischylos, und seine Habilitationsschrift dehnte die Beobachtung auf die spätere Entwicklung der griechischen Sprache aus; erst später verfolgte er das Phänomen auch auf das lateinische Gebiet: ich möchte glauben, daß sich hier der Einfluß seines Lehrers F. Haase zeigte, der damals einer der besten Kenner der lateinischen Sprache war. Aber die Grammatik im engeren Sinne stand nicht im Mittelpunkt seines Interesses, obwohl er bei Stenzler Sanskrit gehört hatte und bisweilen auch grammatische Vorlesungen hielt. Wohl aber faßte er schon früh die Herausgabe einiger bisher vernachlässigter Texte ins Auge und führte sie mit der ihm eigenen Zähigkeit zu Ende. In dem einen Falle handelte es sich um ein Vermächtnis des früheren Breslauer, vor genau hundert Jahren verstorbenen Professors J. G. Schneider, das ihm Roßbach ans Herz gelegt hatte, eine Ausgabe der Physiognomiker. Das sind Texte, die über den Ausdruck von Charaktereigenschaften und seelischen Stimmungen durch körperliche Erscheinungen handeln und begreiflicher Weise auch für die Beurteilung der Formensprache der antiken Kunst von Wichtigkeit sind. Texte von späterer Herkunft, z. T. nur lateinisch und arabisch erhalten, die aus den verschiedensten Quellen geschöpft werden mußten. Es war so recht eine Aufgabe für Förster: indem er allen Spuren unermüdlich nachging und Kollegen, Freunde und Schüler für die Sache interessierte, gelang es ihm in Jahrzehnte langer Arbeit, das Material zu sammeln und zu verarbeiten. Im Jahre 1893 konnte er die zweibändige Ausgabe Roßbach zum 70. Geburtstage darbringen.

Sehr viel schwieriger, aber auch wichtiger war die andere große

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Wilhelm Kroll: Richard Foerster (Nachruf). , Breslau 1919–1924, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahresbericht_der_Schlesischen_Gesellschaft_097_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)