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den Geschmack des grösseren Publikums Raum vergönnt; und die ländliche Abgeschiedenheit, in welcher er den grössten Theil seines Lebens verbrachte, war seinen Studien zwar insofern zu gute gekommen, als sie störende Ansprüche mancher Art von ihm abwehrte, hatte aber auch fast jeden persönlichen Verkehr mit nahestehenden Fachgenossen und jede persönliche Einwirkung auf jüngere Gelehrte verhindert. Nichtsdestoweniger ist die Meisterschaft, welche er auf dem von ihm erwählten wissenschaftlichen Gebiete sich angeeignet, oftmals und von berufenster Seite anerkannt worden: lag es doch zu Tage, welche reiche Früchte diese mit hingebungsvollem Eifer erworbene und durch rastlosen Fleiss fortdauernd auf ihrer Höhe erhaltene Meisterschaft zur Reife gebracht hatte; hatte doch die reformationsgeschichtliche Forschung fortgesetzt so vielfältigen Nutzen aus seinen mustergiltigen, das echteste Quellenmaterial erschliessenden Arbeiten gezogen.

     Aber bei der Anerkennung, welche dieser Meisterschaft zu Theil ward, blieb doch wohl ein Factor meistens ausser Berechnung: die grossen nicht bloss in der Sache selbst enthaltenen, sondern auch durch äussere Umstände verursachten Schwierigkeiten, welche er zu überwinden hatte um dieselbe zu erreichen und zu behaupten.

     Seidemann ward am 10. April 1807 zu Dresden als das Kind armer Eltern geboren. Sein Vater, Johann George Seidemann, war als Mousquetier bei dem Infanterieregimente von Rechten am 4. November 1804 mit Maria Sophia Höfler in der Kirche zu Neustadt-Dresden getraut worden; er hatte also nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, da er jeder Schulbildung ermangelte und in ganz dürftigen Lebensverhältnissen blieb, auch nachdem er Krankenwärter am Dresdner Kadettenhause geworden war, wenig Anrecht auf das Glück, der Vater eines angesehenen Gelehrten zu werden. Ebensowenig durfte die Mutter, die als Köchin bei dem Oberhofprediger Reinhard in Dienst gestanden hatte, hoffen einem Sohne das Leben zu geben, welcher dereinst ein ausgezeichneter Standesgenosse dieses berühmten Theologen werden sollte. Dennoch blieben die glücklichen Fügungen nicht aus, welche eine solche Entwickelung des Knaben ermöglichten.

     Derjenige, der diesen zuerst auf den Weg brachte, welchen er später aus eigener Kraft so rühmlich zurücklegte, war ein Freund seines Vaters, dessen in folgender

Empfohlene Zitierweise:
Franz Schnorr von Carolsfeld: Zur Erinnerung an Johann Karl Seidemann, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1880, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johann_Karl_Seidemann.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)