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Aufzeichnung gedacht ist: „Dass ich einiges gelernt und geleistet habe, verdanke ich dem Cand. theol. M. Rothe, dem dankbaren Freunde meines Vaters, der sein Commissbrod mit ihm getheilt hatte, da Rothe sehr arm gewesen war. Mein Vater, gewesener Soldat, konnte weder lesen noch schreiben. Rothe hatte eine Privatschule in Neustadt-Dresden, Breitegasse, jetzt Casernenstrasse. Er gab zu seinem Vergnügen einigen Schülern Unterricht im Latein, gratis, mir auch, mit dem er Cornelius Nepos las und auch Griechisch anfing, bis τύπτω.“ Seidemann selbst ist es, wie man sieht, der solche Worte dankbarer Erinnerung seinem ersten Wohlthäter widmete;[1] bis an sein Lebensende verwahrte er auch ein sichtbares Andenken an diesen Mann, welches merkwürdiger Weise in einer zur Erinnerung an das Jubelfest der Reformation von 1817 geprägten Luther-Medaille besteht, welche in einen Papierumschlag gehüllt ist, der mit der gedruckten Aufschrift: „Der Schul-Jugend der Kirche zu Neustadt-Dresden gewidmet“ und von Seidemanns Hand mit den geschriebenen Worten: „J. K. Seidemann 1817. M. Rothes Schule“ versehen ist.

     An die mitgetheilten Sätze der eben erwähnten Aufzeichnung schliesst sich der folgende unmittelbar an: „Schmaltz, Pastor in Neustadt-Dresden, wurde beim Confirmandenunterricht aufmerksam auf mich und bestimmte mich zum Studiren.“ Der Knabe ward am 18. April 1821 Schüler des Kreuzgymnasiums zu Dresden. Aber schon im darauffolgenden Juni starb sein Vater, und seine kaum begonnene Laufbahn ward durch diesen Todesfall ernstlich gefährdet, wie ein vom 21. desselben Monats datirtes Zeugniss beweist, welches ihm der genannte Pastor Schmaltz zum Zwecke der Erlangung eines Stipendiums ausstellte. „Es wäre tief zu beklagen“, heisst es darin, „wenn so viele schöne, durch Kopf und Herz des jungen Seidemann gleich begründete Hoffnungen durch Armuth und Hülflosigkeit untergehen oder doch wenigstens in die niedern Kreise des Lebens herabgezogen werden sollten.“ Diese warme Fürsprache blieb indessen nicht ohne Erfolg, und im Jahre 1834, dreizehn Jahre


  1. Ich finde die Niederschrift in Seidemanns Handexemplar seiner „Ueberlieferungen zur Geschichte von Eschdorf, Dittersbach und Umgegend“, welches jetzt die Königliche öffentliche Bibliothek zu Dresden besitzt.
Empfohlene Zitierweise:
Franz Schnorr von Carolsfeld: Zur Erinnerung an Johann Karl Seidemann, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1880, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johann_Karl_Seidemann.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)