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ungebührlich zurücktritt. „Die Kommunion, losgelöst vom Opfer, ist ein gleichgültiges Stück für den Gottesdienst des Protestantismus geworden, das ebenso gut dasein als fehlen kann“, sagt der Irvingianer C. Rothe.

 Ist schon diese Beeinträchtigung des eigentlichen Wesens des heil. Abendmahls als eines Sacramentes, als eines Gnaden- und Heilsmittels, das Gott uns darreicht, vom Übel, so ist doch der Opferbegriff des Irvingianismus etwas noch Bedenklicheres. Nach der Lehre des Irvingianismus ist nämlich das h. Abendmahl das große Lob- und Dankopfer der Kirche, die Darbringung der geweihten Elemente zur Vergegenwärtigung des Opfers Christi, die Nachahmung dessen, was Christus als der Pfleger der wahrhaftigen Hütte thut, wenn er sein Opfer am Kreuz vor Gott im Himmel darstellt und geltend macht. Nun ist ja kein Zweifel, daß Christus im Himmel sein Opfer vor dem himmlischen Vater geltend macht, wie es in dem schönen Lied von Rambach Nr. 272 unseres Gesangbuchs heißt:

Die Verdienste Deiner Leiden
Stellest Du dem Vater dar etc.

Auch ist kein Zweifel, daß jeder Christ, also auch die versammelte Gemeinde, Recht und Pflicht hat, das Opfer Christi vor dem himmlischen Vater geltend zu machen. Allein wie dies anders geschehen soll als durch Gebet, durch gläubige Berufung auf das einmalige Opfer Christi – das kann ich nicht einsehen. Will man diese Geltendmachung des Opfers Christi, diese gläubige Berufung auf das Verdienst Christi in die Form einer Handlung kleiden, so ist klar, daß diese Handlung nur eine Ceremonie, d. h. ein sinnbildliches Thun, ein mnemoneutischer Ritus sein kann, d. h. ein äußerer Brauch, durch den wir Gott und uns selbst an das einmal geschehene Opfer Christi erinnern. Das ist nun aber eben die Unklarheit und die unglückselige Verwirrung beim Irvingianismus, daß er in einem und demselben Odem behauptet, das eucharistische Opfer sei nur eine Darstellung und Vergegenwärtigung des Opfers Christi, „indem wir Gott durch unser Handeln und durch unsere Worte zu bewegen suchen, an dasselbe gedenken zu wollen“ – und doch gleichzeitig dieses nur darstellende und figürliche Handeln der Kirche die Darbringung eines wahrhaftigen „vernünftigen und unblutigen Opfers“ nennt und von den „Wohlthaten spricht, die wir in Folge dieses unseres Opfers zu erwarten berechtigt sind,“ die dann aber doch wiederum keine anderen sein sollen als „diejenigen, die uns allein von dem Kreuze Christi zufließen können“ (B. v. Richthofen „Vorlesungen über die Liturgie“ 1. Bd. S. 274). Wozu bedarf es aber dann erst noch unseres Opferns? Kurz, es ist klar: hier ist nicht unterschieden zwischen einer wirklichen Opferhandlung und einer Handlung zum Gedächtnis und zur Erinnerung an ein einmal geschehenes Opfer. Rudelbach hat vollkommen Recht, wenn er sagt: „Diese Vorstellung einer „Repräsentation[1], die doch zugleich ein wahres Opfer sein soll, ist ein schwebender, elastischer Unbegriff.“ Der Irvingianismus verwirft


  1. d. h. Vergegenwärtigung, nämlich des Opfers Christi.