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Vgl. namentlich 1 Cor. 9, 1 und 1 Cor. 15, 8. 15. Die irvingianischen Apostel können sich der keines rühmen. Mithin ist es eine unerträgliche Begriffsverwirrung, sie Apostel zu nennen.

 Aber es ist auch eine unerträgliche Anmaßung von ihren Anhängern, sie so zu nennen, und von ihnen selbst, sich so nennen zu lassen. Billig sollte ein frommer Christenmensch im Gefühl des großen Abstandes seiner Gabe und Gnade von dem einzigartigen Beruf der auserwählten zwölf Boten des HErrn vor der Überhebung zurückschrecken, sich mit den letzteren auf eine Linie zu stellen oder stellen zu lassen. Solche Selbstüberhebung muß naturgemäß zu dem bei den Irvingianern auch ganz offenbar hervortretenden Bestreben führen, die wahren Apostel des HErrn herabzusetzen und zu verkleinern. Natürlich, wenn der Zwerg neben dem Riesen nicht allzusehr verschwinden soll, so muß man den Riesen verkleinern und den Zwerg auf Stelzen setzen. Das thun denn auch die Irvingianer getreulich, wie wenn z. B. einer der bekanntesten Vertreter des Irvingianismus in Deutschland, Ch. Böhm (Schatten und Licht, S. 285), sich dahin äußert: „in der Christenheit sei ein Heroencultus der Apostel eingeführt, man habe sich allmählich gewöhnt, sie zu vergöttern“!! Nein, wir vergöttern die Apostel nicht, wir lassen ihnen nur den erhabenen Posten, auf den der HErr sie gestellt, den einzigartigen Beruf, mit dem er sie betraut und die Vorrechte, mit denen er sie vor allen Amtsträgern des Neuen Testamentes ausgestattet hat.

 Die Lehre der Irvingianer vom Apostolat und ihre thatsächliche Wiedererweckung des Apostolats ist nun aber nicht blos eine Sonderbarkeit, eine harmlose Schwärmerei, sondern ein höchst bedenklicher Irrtum, der die gefährlichsten Folgen in seinem Schoße birgt. Darauf haben wir nun noch das Augenmerk zu richten. Zu dem Zweck erinnern wir an die bereits oben erwähnte irvingianische Sonderlehre von dem am Ende des apostolischen Zeitalters eingetretenen Sündenfall der Kirche, der darin bestanden habe, daß die Kirche am Ausgang des apostolischen Zeitalters das Apostolat hinsterben ließ. Wir sehen hier davon ab, daß nach dieser Ansicht die ganze Entwicklung der Kirche seit fast 1800 Jahren als eine verfehlte erscheinen würde und werfen nur die Frage auf: Auf wen fällt denn die Schuld dieser großen Unterlassungssünde, keine Vorsorge für die Fortpflanzung des Apostolats getroffen zu haben? Ohne Frage auf die Apostel selber, die es versäumt haben, irgend einen Wink oder eine Andeutung zu geben, daß nach Gottes Willen ihnen nach ihrem Hingang Nachfolger gesetzt werden sollten. Sie haben ja doch sonst – sonderlich Paulus im Gefühl seines nahen Endes – Sorge für die Bestellung der Ämter getragen. So z. B. läßt Paulus den Titus (Tit. 1, 5) in Kreta zurück, um, was noch mangelte, in Ordnung zu bringen, und hin und her in den Städten Älteste einzusetzen. Dem Timotheus ruft er (2 Tim. 4, 5) zu, daß er das Werk eines Evangelisten thun möge, da er, Paulus, bereits geopfert werde und sein Lauf vollendet sei. Demselben Timotheus schreibt er (2 Tim. 2, 2): „Was du von mir gehöret hast durch viele Zeugen, das befiehl treuen Menschen, die da tüchtig sind, auch andere zu