Seite:Johannes Deinzer - Predigt über Joh. 17, 18-21.pdf/6

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wie weit sie darum selber davon entfernt ist, eine Missionsgemeinde zu sein – so weit, daß sie selber Gegenstand einer auf sie gerichteten missionierenden Thätigkeit sein muß – das liegt leider am Tage. Es sind doch immer nur Einzelne, kleinere oder größere Kreise, die mit Bewußtsein und aus eignem Trieb das Werk der Mission fördern. Aber sie wenigstens, wir wenigstens, die wir unsre Missionspflicht anerkennen, wollen doch das Wort unseres Textes mit seinem ganzen beschämenden, strafenden und zur Heiligung spornenden Ernst uns in die Seele leuchten lassen, damit doch wenigstens in uns die Voraussetzung aller Missionsarbeit zu Stande komme: das Dasein einer priesterlichen Gemeinde geheiligter Seelen. Denn die Mission bedarf menschlicher Werkzeuge. Aber freilich die Kraft, durch welche die Aufgabe der Mission ausgerichtet wird, muß höheren als menschlichen Ursprungs sein.


II.

 Was ist denn aber diese Kraft? Das sagt uns unser Text zum andern. Die wirksame Kraft aller Mission ist das Wort. „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden“ sagt der Herr weiter in unserm Text. Er knüpft hiemit den Erfolg der Mission in der Welt an das Wort der Apostel. „Ihr Wort“ nennt er das Wort seiner Jünger, nicht als Menschenwort im Gegensatz zu Gottes Wort. Bei den Aposteln, als den inspirierten Werkzeugen des heiligen Geistes hebt ja ohnehin – wenigstens für ihre Predigt – sich der Unterschied von Gotteswort und Menschenwort auf. Gottes Wort ist ihr Wort und ihr Wort Gottes Wort. Aber auch bei den nachgebornen Geschlechtern der Boten des Evangeliums soll Gottes Wort ihr eignes Wort heißen können – im Sinne lebendiger Aneignung durch den Glauben. Gottes Wort muß mit uns verwachsen, unser innerstes Eigentum, die Substanz unseres geistlichen Menschen werden. Das von seinen Verkündigern im lebendigen Glauben angeeignete apostolische Wort – das ist das große Missionsmittel. Aber eben das apostolische Wort – nicht was sich als vermeintlich höhere Weisheit an seine Stelle setzen will. Das lautere apostolische Wort, nicht versetzt mit den Meinungen des Zeitgeistes, nicht seines Kernes beraubt durch eine das Mark des Christentums aushöhlende Theologie: das ganze reine unverfälschte Wort der Apostel soll die einzige Quelle und Richtschnur aller Predigt wie daheim in der Christenheit, so draußen in der Heidenwelt sein. Was sollen wir denn den Heiden sonst bringen? Etwa die europäische Bildung und Kultur? Aber für das was den heidnischen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Die Mission im Lichte des hohenpriesterlichen Gebetes Jesu. Verlag der Joh. Phil. Raw’schen Buchhandlung, Nürnberg 1889, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johannes_Deinzer_-_Predigt_%C3%BCber_Joh._17,_18-21.pdf/6&oldid=- (Version vom 5.7.2016)