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um eine weitere Stufe, indem er an dem heiligen Bade der Reinigungsceremonie theilnehmen darf. Zur vollen Lebensgemeinschaft wird er jedoch noch immer nicht zugelassen, sondern, nachdem er bisher bloß seine Herrschaft über die Sinnlichkeit bewiesen, noch zwei weitere Jahre auf seinen eigentlichen Charakter geprüft und, wenn er dann würdig scheint, endlich ihrer Gesellschaft eingereiht. 139 Bevor er jedoch vom gemeinsamen Tische essen darf, muss er sich zuerst durch schauerliche Eidschwüre vor ihnen verpflichten, vor allem der Gottheit die gebürende Verehrung zu erweisen, dann auch die Pflichten der Gerechtigkeit gegenüber den Mitmenschen genau zu beobachten und Niemandem weder aus eigenem Antriebe noch im Auftrage anderer zu schaden, die Ungerechten jederzeit zu hassen und den Gerechten beizuspringen, 140 allen und jedem stets die Treue zu halten, ganz besonders aber den Regenten, da ohne den Willen Gottes Niemandem die Herrschaft zufallen könne. Sollte aber das neue Mitglied selbst einmal zur Herrschaft gelangen, so dürfe es nie durch ein übermüthiges Betragen seine Gewalt beflecken oder auch nur durch größere Kleiderpracht und sonstiges Gepränge vor den Untergebenen sich auszeichnen wollen. 141 Jeder solle stets die Wahrheit lieben und entschlossen sein, den Lügnern den Mund zu stopfen; seine Hände, gelobt er, rein von gestohlenem Gute, rein auch die Seele von schmutzigem Gewinn zu bewahren, vor den Anhängern seiner Secte kein Geheimnis zu haben und umgekehrt an andere keine internen Angelegenheiten zu verrathen, auch wenn man ihn zu Tode foltern würde. 142 Außerdem muss er noch schwören, sämmtliche Lehren der Secte ohne Entstellung genau so, wie er sie selbst überkommen, überliefern zu wollen, sich auch jeder Verstümmlung derselben zu enthalten, sowie die Bücher der Secte und die Namen der Engel sorgfältig zu hüten. Mit solchen Eidschwüren fesseln sie nun die Eintretenden vollständig an die Secte.

143 (8.) Wer bei einem bedeutenden Vergehen ertappt worden ist, wird aus der Genossenschaft gejagt, und muss gar oft der Ausgeschlossene auf die erbärmlichste Weise sterben und verderben. Denn einerseits darf er, durch seine Eide und Regeln gebunden, von Leuten, die außerhalb der Secte stehen, nicht einmal Speise nehmen, will er sich aber andererseits selbst mit Pflanzenkost fortbringen, so muss auch da der Körper infolge ungenügender Nahrungsaufnahme allmählich entkräftet werden und endlich unterliegen. 144 Die Essener haben darum auch schon viele, die in ihrer äußersten Erschöpfung kaum noch Athem holen konnten, aus Erbarmen wieder aufgenommen, da sie nach ihrer Meinung für die begangenen Vergehen durch ihre fast zur Todesqual gesteigerten Peinen genugsam gebüßt hätten.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)