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äußersten Elendes noch soviel Scheu vor ihrem ehemaligen Feldherrn bewahrt, dass auf dieses hin ihrem niedersinkenden Arme der Degen entfiel, und viele, die soeben noch das breite Schlachtschwert geschwungen hatten, es, wie gelähmt, von selbst fahren ließen.

387 (7). Da Josephus auch in der bedrängtesten Lage seine Geistesgegenwart nie verlor, so wollte er jetzt im Vertrauen auf den Schutz Gottes im eigentlichen Sinne ein Spiel um sein Leben wagen und machte folgenden Vorschlag: 388 „Weil es nun einmal beschlossene Sache ist, dass wir jetzt sterben, wohlan, so werden wir das Los entscheiden lassen, wer jedesmal Opfer und Henker sein soll. 389 Derjenige nämlich, welcher zuerst vom Lose betroffen wird, soll immer von dem, der nach ihm herausgelost wird, niedergestoßen werden. So werden dann alle und zwar nur nach des Schicksals Fügung an die Reihe kommen, und wird niemand die Gewalt über sein Leben in der eigenen Hand haben, da es nicht in der Ordnung wäre, wenn ein und der andere nach dem Hingang seiner Gefährten am Ende seinen Entschluss wieder bereuen und am Leben bleiben würde.“ Diese Worte fanden das vollste Vertrauen und die vollste Zustimmung bei den Genossen, mit denen nun auch Josephus losen musste. 390 Der erste, den jeweilig das Los traf, stellte sich immer willig dem Schwerte des nach ihm herausgelosten Gefährten: wusste er ja doch, dass auch sein Feldherr gleich darauf sterben werde, mit dem zu sterben ihm süßer war, als begnadigt zu werden. 391 So blieb nur mehr Josephus mit einem zweiten übrig – ob man es nun als Zufall oder als Fügung Gottes zu bezeichnen hat. Da Josephus aber ebensowenig Lust spürte, ein Opfer des Todesloses zu werden, als, im Falle er das letzte Los zöge, seine Hand in das Blut eines Volksgenossen zu tauchen, so brachte er, um beides zu verhindern, den letzteren dahin, dass er die zugesicherte Gnade wirklich annahm.

392 (8.) Auf diese Weise glücklich zwischen den Schwertern der Römer und seiner eigenen Landsleute durchgekommen, ward nun Josephus von Nikanor zu Vespasian geführt. 393 Alle Soldaten liefen zusammen, um ihn zu sehen, so dass die Menge sich förmlich um den feindlichen Feldherrn staute. Aus dem Lärme wurden die verschiedensten Stimmen vernehmbar: die einen drückten ihre Freude über den guten Fang aus, die anderen ergiengen sich in Drohungen, während viele sich bloß neugierig durch die übrigen drängten, um ihn aus der Nähe besser in Augenschein zu nehmen. 394 Die entfernter stehenden forderten mit lautem Geschrei die Hinrichtung des Feindes, wogegen die Näheren sich der Erinnerung an seine Vertheidigungsarbeiten und einem Gefühle des Staunens über den Sturz eines solchen Mannes nicht ver-

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/278&oldid=- (Version vom 19.2.2020)