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Mannhaftigkeit und Einsicht davon abhängen, dass er sich nicht erst unter den letzten blicken lasse: so gewaltig war jetzt die Lust, die sie befallen, ihre Frauen und Kinder, sowie ihre eigene Person hinzuschlachten! 390 Ja, es kühlte sich dieser Fanatismus, wie man doch hätte vermuthen können, auch in dem Augenblicke nicht ab, wo man vor der That selbst stand, sondern mit derselben ungeschwächten Begeisterung, mit der sie früher die Ansprache des Eleazar für ihren Vorsatz entflammt hatte, führten sie ihn auch aus: nicht so, als ob die zarten Gefühle für Bekannte und Angehörige in einem aus ihnen erloschen wären; sie wurden nur von der höheren Erwägung beherrscht, dass man das Beste für seine Theuren getroffen habe. 391 Mit innigster Zärtlichkeit umschlangen sie noch ihre Frauen, schlossen dann liebkosend auch ihre Kindlein noch einmal in die Arme und bedeckten mit den letzten Küssen und Thränen ihre Lippen: 392 in demselben Augenblicke aber, als hätte eine fremde Macht ihnen den Arm geliehen, vollbrachten sie auch schon ihr Werk und führten den peinlichen Stoß, nur durch den einen Gedanken getröstet: „Was würden meine Lieben erst unter den Händen des Feindes zu leiden haben!“ 393 So fand sich denn schließlich kein einziger mehr, der vor dem Ungeheuren noch zurückgeschauert wäre: ohne Ausnahme stieß ein jeder seine Theuren bis auf das letzte Würmlein nieder. O ihr Unglücklichen, wie entsetzlich musste doch eure Bedrängnis sein, dass es euch noch das kleinste Uebel däuchte, mit eigener Faust eure Frauen und Kinder zu erwürgen! 394 Nachdem nun die That geschehen war, konnten sie ihren brennenden Schmerz darüber nicht länger mehr ertragen, ja sie hielten es für eine Sünde gegen die Hingeopferten, wenn sie auch nur eine ganz kurze Zeit dieselben überleben wollten. So warfen sie denn in aller Hast ihre sämmtlichen Wertsachen auf einen Haufen zusammen und legten Feuer an den Stoß. 395 Dann wählten sie aus ihrer Mitte zehn Männer, welche die Schlächter aller übrigen sein sollten, und nun ließ sich Jedermann, hingebettet zu den Leichen seiner Frau und seiner Kinder, die er noch einmal mit seinen Armen umklammerte, von den für diesen traurigen Dienst bestimmten Genossen willig den Todesstoß versetzen. 396 Ohne Wanken vollzogen diese ihre Blutarbeit, um hierauf dieselbe Ordnung mit dem Lose auch untereinander einzuhalten, dass nämlich der ausgeloste Mann zuerst den anderen neun und darauf, als letzter von allen, sich selbst den Tod geben sollte. So fest also war das Vertrauen, das sie sich alle gegenseitig schenkten, es werde einer, wie der andere, ohne Unterschied ebenso kaltblütig seine Kameraden in den Tod schicken, als ihm selbst unverzagt ins Auge schauen. 397 Das Ende war, dass auch die neun sich dem mörderischen Eisen stellten,

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/533&oldid=- (Version vom 1.8.2018)