Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 096.png

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Erfrieren bewahrt werden, und gehen dennoch oft zu Grunde. Wie sollte ein so süßer Feuerwein in diesem Klima wachsen können, das wenig milder ist als das unsere, wo der Winter nicht weniger rauh sich zeigt als bei uns, und Schnee und Eis Monate lang die Erde bedecken?

Die Art, wie hier zu Lande die Weinlese betrieben wird, wurde mir jetzt aus einander gesetzt, um dieses Räthsel mir zu lösen. Auf der nämlichen Traube wächst der süße Feuerwein neben dem allersauersten, wie ihn etwa die Thüringer Berge bringen. Jede einzelne Traube wird von dem Winzer sorgfältig durchgesehen, und nur die überreifen Beeren, die gleichsam wie halb verdorben und vertrocknet aussehen, werden mit einer Scheere aus derselben herausgeschnitten; nur hat er sich sehr davor zu hüten, keine wirklich angefaulte oder verschimmelte Beere unter diese Auswahl kommen zu lassen. Wenn der Winzer aus einem ganzen Korbe voll Trauben ungefähr einen Hut voll solcher reifen Beeren erhält, so hat er schon alle Ursache zufrieden zu sein. Diese liefern den Ausbruch, den wir in Deutschland unter dem Namen Ungarwein kennen; der übrige giebt einen weißen, etwas sauern Landwein, der einige Aehnlichkeit mit schlechtem Rheinwein hat. Bei sehr

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_096.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)