Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 171.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und so geriethen wir endlich auch in das Schlafzimmer Heinrichs IV.[WS 1], ein hohes düsteres Gemach, das wohl schwerlich ein regierender Herr unserer Zeit sich dazu wählen würde. Es hat nur ein einziges Fenster, welches durchaus keine nur einigermaßen angenehme Aussicht gewährt. Die dunkeln gewebten Tapeten, die mit schwerfälligem Schnitzwerk überladene Balustrade, hinter welcher das Bett auf einer Estrade stand, sind noch dieselben, wie sie zu des guten Königs Zeiten waren; auch die verborgene Thür, welche über eine kleine steile Treppe ihn in die Zimmer der schönen Gabriele[WS 2] führte.

Unter der großen Haupttreppe zeigte mir Mercier ein kleines dunkeles Behältniß, das zum Aufbewahren des Brennholzes diente. Hierher wurde, gleich nach Ravaillac’s[WS 3] Unthat, Heinrichs IV. blutige Leiche im eigentlichsten Sinne des Wortes hingeworfen, sagte Mercier; vier und zwanzig Stunden vergingen, ehe die Königin Maria von Medicis[WS 4] sich entschloß, dem ermordeten Gemahl einen anständigeren Platz anweisen zu lassen, der unter solchen Umständen der Leiche des erschlagenen Bettlers nicht versagt wird.

Wie wunderbar wechselt das Geschick der Herrscher hier auf Erden! dachte ich still und blickte nach der nahen Stätte, wo Ludwig XVI. blutiges Haupt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Heinrich IV. (* 13. Dezember 1553; † 14. Mai 1610)
  2. Gabrielle d’Estrées (* 1570; † 10. April 1599)
  3. François Ravaillac (* 1578; † 27. Mai 1610) – Mörder Heinrichs IV.
  4. Maria von Medici (* 26. April 1573; † 3. Juli 1642)
Empfohlene Zitierweise:
Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_171.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)