Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 181.png

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so viel Intelligenz und Empfänglichkeit für alle äußeren Eindrücke, daß sie gewiß jetzt, wenn sie noch lebt, unter Sikards Leitung dahin gediehen ist, ihren Platz in der Welt zu ihrer und der Ihrigen Zufriedenheit auszufüllen, und nicht in Dumpfheit und Trübsinn ihr Leben verschmachten zu müssen.

Durch den vieljährigen Umgang mit einer sehr geistreichen, aber in ihrem zwanzigsten Jahre stocktaub gewordenen Verwandtin, hatte ich und meine Geschwister von Kindheit auf eine Art von Zeichensprache erlernt, zum Theil auch erfunden, durch die wir auf eine für Fremde unbegreifliche Weise uns mit dieser Frau verständigten. Jetzt erinnerte ich mich der alten Künste wieder, ich versuchte mit meiner kleinen taubstummen Nachbarin auf die nämliche Weise, wie ich vor Zeiten mit meiner Tante mich verständigt, ein Gespräch anzuknüpfen; zu meiner großen Freude verstand auch sie mich; sie antwortete auf ihre Art durch Zeichen und Geberden, deren Sinn ich errieth. Mit rührender Zutraulichkeit und vor Freude strahlenden Augen wendete die arme Kleine nun bei Allem, was sie von den Vorgängen um uns her wissen wollte, sich an mich, und eine Art stummer Conversation kam zwischen uns zu Stande, die uns Beide gleich lebhaft interessirte.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_181.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)