Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 192.png

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und die kleinen Charlatanerien, zu denen Sikard von Zeit zu Zeit sich herablassen mußte, um das Interesse des Publikums warm zu erhalten, waren gewiß nicht das kleinste Opfer, das er dem wohlthätigen Zwecke brachte, dem er sein ganzes Leben geweiht hatte.

Niemand aber bezeugte bei allen diesen Verhandlungen sich aufmerksamer und theilnehmender, als meine kleine Taubstumme neben mir. Ihre ganze Seele war in ihren Augen; keine Bewegung ihrer jungen Unglücksgefährten entging ihr, manche ahmte sie, sich selbst unbewußt, nach; auch schien es mir, als ob sie, zwar nicht die jenen gelehrte Fingersprache, aber doch Manches von dem recht gut begreife und verstünde, was sie unter sich durch Mienen und Zeichen verhandelten. Die Mädchen ihres Alters, die Sikard zuweilen hervorzog, um ihre kleinen Künste zu zeigen, interessirten sie vor Allem. Oft zupfte sie mich am Arm und fragte mich mit Blicken und Zeichen, indem sie auf Einzelne unter denselben hindeutete, ob diese auch taubstumm wären, und auf meine bejahende Antwort glänzte die höchste Verwunderung aus ihren beredeten Augen, und ein wirklich seliges Lächeln verklärte das liebliche Gesichtchen.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_192.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)