Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 276.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nie enden wird, und sie antwortet in stiller Ergebung: »ich bin die Magd des Herrn, sein Wille geschehe.«

Es ist Morgen; früh war sie hinausgegangen ihre Blumen zu pflegen, unter denen sie jetzt knieet, die lieblichste von allen. Das holde rosige Gesicht mit dem reinsten Ausdruck der Andacht und Ergebung, demüthig zur Erde blickend, das Jugendliche, Jungfräuliche, Graziose der Gestalt sowohl als der Stellung, die schöne Beugung des Nackens sind nur für’s Anschauen, nicht für die Beschreibung. Man sieht das Köpfchen im Profil, schön ist das bräunliche Haar geflochten und geordnet, über dem glänzend rothen Gewande trägt sie einen weit hinter ihr sich ausbreitenden hellblauen Mantel, die Falten der Draperie schmiegen sich sanft an die schöne Gestalt, das Ganze drückt die höchste Anständigkeit und Einfachheit aus. Seitwärts um sie her stehen die Blumen, zuerst die deutungsvolle Passionsblume, mehr zur Seite der Rosenstock, das Bild des Lebens, mit seinen Dornen und Blüthen. Vor den Stufen des Hauses, der Jungfrau gegenüber, schwebt der Engel über der Erde. Veilchen und duftende Kräuter sprießen unter seinen Füßen; ein langes, glänzend gelbes Gewand, mit weiten Aermeln bedeckt ihn bis auf die Füße hinab, leicht schwebt sein blondes Haar, mächtige,

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_276.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)