Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 283.png

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Das erste stellt die Ostsee vor. Hoch wölbt sich der Himmel über ihr. Sie ist nicht in stürmischer Bewegung, aber auch nicht in der Spiegelhelle einer Meeresstille dargestellt. Weiß schäumend kräuseln sich in unübersehbarer Anzahl und Reihe, einander jagend, die kurzen diesem Meere so eigenthümlichen Wellen auf der dunkeln schwarzblauen Fläche; den Vorgrund macht das flache, unfruchtbare Sandufer, auf welchem feierlich und einsam ein Eremit wandelt. Da haben Sie das ganze Gemälde, einfacher kann wohl keines sein; dennoch erregt es ein eignes, schauerliches Gefühl der Einsamkeit, je länger man es ansieht. Mir dünkt es wie das Bild der Ewigkeit. Der Eremit steht am Gestade, als versuche er die Wellen zu zählen, sie gleiten vorüber ohne Spur, und wer kann ihren Anfang, wer ihr Ende ermessen?

Das zweite Gemälde ist ein Winterabend, die Gegend stellt die Ruinen einer Kirche vor. Die Sonne ist untergegangen, aber der letzte Widerschein des Abendroths fällt noch unmerklich auf die höchste Spitze des alten Gemäuers, und es ist noch hell genug, um jeden Gegenstand zu unterscheiden. Hoch in der kalten klaren Luft steht der Neumond, neben ihm funkelt der Abendstern, man entdeckt auch die

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_283.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)