Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 292.png

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die Uebrigen fort, und trösteten sich, so gut sie konnten, mit der Hoffnung, daß nächstens auch an sie die Reihe kommen würde.

Früh aufstehen muß man in Karlsbad lernen. Schon um fünf Uhr, spätestens um sechs, eilt Alles an den Brunnen. Die Meisten trinken den Neubrunnen und wandeln nach jedem Becher zwei Mal die lange, oben bedeckte Gallerie auf und ab, die ihnen zur Promenade dient. Vor funfzehn Jahren war diese Promenade die widerwärtigste und ekelhafteste, die sich nur denken läßt, jetzt ist sie durchaus zweckmäßig. Sie führt längs der Töpel hin und man steigt auf einer breiten bequemen Treppe zu ihr hinauf. Hier treffen sich Freunde und Bekannte, wandeln ein Weilchen mit einander und verlassen sich wieder ohne Umstände; man macht neue Bekanntschaften, Pläne für den Tag; diese Morgenpromenade ist eigentlich die Seele des Badelebens, von der alle anderen Freuden ausgehen. Gegen das Ende des Juli-Monats war die Gallerie trotz ihrer bedeutenden Breite oft so gedrängt voll, daß es Mühe kostete, durchzukommen. Unten am Brunnen, wo zwei parzenähnliche Nymphen mit unglaublicher Behendigkeit die Becher füllten, war es für Damen fast unmöglich, bis zur Quelle zu gelangen.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_292.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)