Seite:Köster Alterthümer 032.png

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goldener Blüthe leuchten, die Lüfte auf weite Fernen duftgeschwängert sind, wie später wieder in der Bohnenblüthe; aber golden fällt auch der Ertrag in den Säckel, wenn der Rapps geräth. Schlägt er fehl, „kommt der Wurm hinein“, so hat mancher Hausmann wohl eine bange Berechnung zu machen, denn Hunderte von Thalern hat der größere als Ausfall zu decken. Desto lauter der Jubel bei guter Ernte; fast sprüchwörtlich sagt man, einige Wochen sei dann mit dem Marschbauer nicht auszukommen; die Wirthe aber haben gute Zeiten.

Massen von Vieh, Kühe und Pferde, weiden schon binnen Deichs; keines Hirten bedürfen sie; die Gräben sind hinlänglicher Schirm; den Einen Zugang verschließt das „Heck“, die roheste Form eines Thores. Aber im Außendeich ist fast Alles Weide, und ganze Schaaren der Thiere kann man bei nahender Fluth vom Bord des Dampfers hart am Wasser sehen; zuweilen ist ihnen ein Schirmdach gegen die drückende Sonne errichtet, stets aber steht in ihrer Nähe, gewöhnlich auf einer Worth, der Scheuerpfahl. Nach der künstlichen Höhe rettet sich das Vieh bei plötzlich eintretenden Hochfluthen. In den Rindern und Pferden steckt ein großer Theil des Reichthums der Marschen. Viele der ersteren gehen „weidefett“ nach England; die Pferde, jetzt meistens veredelt, viel Halbblut und schon Vollblut, sind ein Hauptausfuhrartikel, um dessen Vertrieb der Bauer sich keine Sorge zu machen hat; auf den Höfen schon werden die jungen Thiere aufgekauft; den Rest räumen die Märkte; 30 bis 40 Louisd’or erhält schon nicht selten der Züchter; die guten Stuten sind ihm für keinen Preis feil. – Ein Thier hätte ich fast vergessen: den „Äbär“, den Schlangenträger (adebaro), wie unsere Altvordern den Storch nannten, der fast zum Hofe gehört, der nirgend fehlt auf den Weiden, noch jetzt ein Gegenstand gläubiger Scheu und Achtung. Auf den „Sänden“ (den Inseln) mit dem zuletzt angeschwemmten, noch niedrigen Außendeich, den die Fluthen noch öfter, als das übrige Land überströmen, concentrirt sich die Fruchtbarkeit der Marsch; die üppigen wilden Gewächse sind dafür der beste Beweis; nur die tropische Gluth fehlt den übrigen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 032. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_032.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)