Seite:Köster Alterthümer 112.png

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dabei.“ War es schon empörend, solch einen Mann auf der Kanzel zu sehen, so konnte das, was er predigte, nicht geeignet sein, diesen Eindruck zu mildern. Es war tolles Zeug: „Hier muß einer seyn“, sagte er, „der köstliche Kräuterey bey sich hat, denn es raucht besser als Negelein und Muschaten: Es ist der Heilige Geist, der kommt zu mir, mit einem köstlichen Geruch und offenbahret mir heimliche Dinge, die ich nicht alle sagen und offenbahren muß. Alles, was ich euch predige, ist eben so viel, als wenns der Heilige Geist selber redete; und machte den Leuten ferner weiß, der Heilige Geist hätte ihm geoffenbahret, daß eine grosse Sündfluth kommen würde, also daß das Wasser in der Thum-Kirchen über den Hohen Altar gehen würde“ u. s. w.

Bei den albernen Worten dieses Mannes konnte sich Bruder Johann nicht länger halten. Er sprang auf und in feuriger Rede hielt er ihm seine Thorheit vor. Von eigener Kühnheit immer weiter hingerissen, ging er auf das katholische Wesen selbst über, und in hoher Begeisterung predigte er vor dem verstummten Pfarrer und dem erstaunten Volke die Herrlichkeit der neuen Lehre.

Es war eine feurige hinreißende Rede. Erstaunt blickte das Volk auf den fremden Mann in Mönchstracht mit seinem Kranze von Hasellaub. Niemand außer ihm sprach ein Wort, kein Zeichen des Beifalls oder des Zorns wurde laut, die Ueberraschung war zu groß. Endlich schloß Bruder Johann seine Rede.

Er hatte ein großes Versehen begangen. Daß er einen katholischen Prediger öffentlich Lügen strafte und unberufen Luther’s Lehre verkündigte, war dem Geiste der Zeit gemäß und wohlgethan. Aber er hatte in seiner Uebereilung nicht bedacht, was denn werden sollte, wenn er sein Zeugniß vom reinen Evangelio vorgebracht hätte. Durch seine begeisterten Worte hatte er seine Zuhörer in der Hand, es war nun aber durchaus nothwendig, daß er dieselben zu irgend einer That aufforderte, um die angezündete Flamme nicht nutzlos verfliegen zu lassen.

Er handelte anders. Als er seine Rede endete, blickte er um sich. Allenthalben stumme erstaunte Gesichter. Er

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_112.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)