Seite:Köster Alterthümer 118.png

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Spitzpfählen des alten Burggrabens. So ist die Vissel ihres kriegerischen Dienstes wieder enthoben; sie fließt unaufgehalten ihren friedlichen Lauf. Ehe sie aus dem Flecken in das üppige Wiesenthal gelangt, bietet sie dem Durstigen den reinen frischen Trank, liefert den Köchinnen das weiche Wasser, in dem harte Erbsen bald mürbe kochen, und bildet die kleine Tränke, aus welcher die Feuerspritze Wasser schöpft und in der die Wäscherinnen die Leinewand schneeweiß spülen, wobei das milde Wasser im kalten Winter die Hände bald heiß macht. Und an jener Stelle des Ursprungs der Vissel befindet sich noch ein schöner Friedhof; das ist der Kirchhof von Visselhövede.

Die Kirche darauf stammt noch aus der mittelalterlichen Zeit; sie ist nur durch einen späteren Anbau erweitert worden. In der alten Mauer, welche die Bogen des steinernen Gewölbes trägt, befindet sich an der Seite des Altars ein kleiner Schrank. Er ist mit gedoppelten Thüren versehen, zuerst mit einer starken eisernen Gitterthür und dann mit einer festen hölzernen; durch ein Bord ist er in zwei Abtheilungen geschieden. Früher mögen darin die heiligen Geräthe, oder irgend ein Heiligthum in der katholischen Zeit aufbewahrt worden sein; jetzt befinden sich in dem unteren Raume die Gesangnummerbretter und in dem oberen – das Paterkleid.

Es findet sich dort eine runde lederne Kappe; ferner sind da mehrere Stücke Leinenzeug, das aber schon theilweise vergangen ist und anscheinend verblichene Blutflecken enthält. Das eine davon erkennt man als ein Hemd, das am Halse und an den Aermeln noch mit Spitzen besetzt ist; ein Tuch davon ist mit Sternen und Buchstaben, aus Silberdraht gestickt, verziert. Das merkwürdigste Stück ist aber das Gewand, welches etwa fünf Ellen lang ist und an den beiden Enden allmählich breiter wird, als in der Mitte, wo sich eine Querschlitze befindet. Wenn hierdurch der Kopf gesteckt wird, bedeckt es bis auf die Arme und Füße den Leib eines Mannes. Es besteht aus festem Seidenstoffe, der auf blauem Grunde röthlich geblümt ist, und ist mit leinenem Futter versehen. Auf der einen Hälfte entlang ist ein Kreuz mit verschieden und schön gefärbter

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_118.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)