Seite:Köster Alterthümer 125.png

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Sonnenzeiger gar nicht gut mit dem an der Kirche befindlichen sich in Ubereinstimmung bringen lassen wollte. Der Zeitmesser an der Kirche war von Stein, mit einer eisernen Nase, und hielt Frost und Hitze tapfer aus, aber das Fensterbrett zog sich bald von der Nässe, bald von der Wärme und war ein stetes kleine Herzeleid für den Küster. Die in Blei eingefaßten Fensterscheiben waren auch von mangelhafter Durchsichtigkeit, so daß bisweilen Ungewißheit über die Tageszeit nicht zu vermeiden war, die Fensterflügel waren, wie damals in allen Häusern, nicht zu öffnen; zur Einlassung frischer Luft diente ein hölzener Laden an der Seite des Fensters. Das Glas hatte einen viel zu hohen Werth, um es der Gefahr auszusetzen, in welche ein beweglicher Fensterrahmen es gebracht haben würde.

Nachdem der Küster noch eine Zeitlang mit seiner Magd darüber geplaudert hatte, daß der Frost nicht nachlassen und die Eisblumen an den Fenstern schwerlich bald verschwinden würden, ließen sich leichte und schnelle Tritte vor dem Hause hören. Mehrere Knaben von etwa 12 Jahren traten in’s Zimmer, die Wangen von Kälte geröthet, mit den Füßen vor Frost trippelnd, aber heiter und fröhlich. Sie grüßten den Küster und gaben ihm die Hand; er rückte seinen Lehnstuhl ein wenig vom Feuer hinweg und ließ sie sich wärmen. Sie waren gut gekleidet, wenn auch in groben Stoffen und hatten dicke lederne Schuhe an den Füßen, von denen das Paar zehn Grote kostete. Nach und nach versammelten sich immer mehr Kinder, bis ihrer vielleicht sechszehn waren und damit die Schule vollzählig.

Der Küster erhob sich von seinem Stuhle, die unruhig im Zimmer umherstehenden Kinder wurden still; es ward verkündet, die Schule solle ihren Anfang nehmen. Zwei Bänke, welche bis dahin über einander an der Wand gestanden hatten, wurden von den Knaben mit vielem Geräusch herbeigeschoben und in die Mitte des Zimmers gebracht, die Kinder setzten sich ihrem Alter nach darauf. Es war eine sonderbare Schule, wenn man sie mit den Augen unserer Zeit betrachtet hätte. Kein Mädchen war unter den Kindern, denn Niemand dachte daran, daß das weibliche Geschlecht irgend einer Schulunterweisung bedürfe,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_125.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)