Seite:Köster Alterthümer 130.png

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sie brachte nicht einmal viel Unruhe hervor in der Gemeinde. Man denkt sich bisweilen, die Reformation sei mit der Schnelligkeit und zerstörenden Wirkung des Blitzes in’s Land gefahren, und in manchen Gegenden war dies auch der Fall, aber in unser Herzogthum kam sie allmählich und ohne äußern Sturm. Das katholische Wesen glitt in das protestantische Leben hinein und die meisten Landgemeinden sahen nur geringe und ihr Gewissen anfangs wenig berührende Merkzeichen der Veränderung. Aeußerlich blieb das Meiste, wie es gewesen war; der Pastor verrichtete nach wie vor den Altardienst im seidengestickten, golddurchwirkten Meßgewande und bestieg die Kanzel im weißen Chorhemde. In vielen Kirchen wurde allsonntäglich gekniet. Der Küster sang mit seinen Knaben die Responsorien eben so wie früher. Gern aber wurde von den Gemeinden der Kirchengesang, in welchem sie mit thätig waren, aufgenommen, und das schien Vielen der bedeutendste Gewinn zu sein. Der Pabst wohnte zu fern, als daß die Abwerfung seiner Herrschaft sie besonders hätte berühren können, und die Gewalt des Erzbischofs blieb scheinbar noch lange, wie sie gewesen war, wenn ihr auch nicht mehr Gehorsam geleistet ward, als man eben für gut fand. Daß die Prediger heiratheten, schien den Gemeinden nicht nur etwas Natürliches – in dem benachbarten Ostfriesland hatte der Cölibat nie durchgeführt werden können – sondern es war ihnen aus manchen Gründen sehr lieb. In das Innere des Lutherthums waren die Gemeinden anfänglich gar nicht fähig einzudringen, nur die Belehrung langer Jahre konnte es ihnen zugänglich machen. – Als der Küster noch auf dem Seminar war, hatte er die tiefe Krankheit des Katholicismus äußerlich gesehen und später, durch die neuen Lehren angeregt, auch in ihrem Wesen erkannt. Mit Eifer gab er sich dem Lutherthum hin, aber diese Bestrebungen hatten ihm viel Herzeleid bereitet.

Der katholische Gottesdienst kann des Gesanges nicht entbehren, daher waren alle Küster zugleich Singlehrer, welche einen kleinen Knabenchor auf die kirchliche Feier einübten. Der Protestantismus mit seinem sichern Tacte und dem klaren Bewußtsein dessen, was er ausstoßen oder in sich

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_130.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)