Seite:Köster Alterthümer 131.png

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aufnehmen mußte, erkannte alsbald, wie wichtig ihm diese Knabenchöre werden konnten, welche er vorfand. Der Jugend gehört die Zukunft. Er machte wirkliche Schüler aus ihnen. Unterricktsanstalten solcher Art hatten nur in den Städten existirt, der Protestantismus versetzte sie auch auf die Dörfer. Das ist der Ursprung unserer Landschulen.

Nachdem die Kinder mehrere Male das zu singende Lied hergesagt hatten, begann die wirkliche Ausführung desselben. Es war der schöne ergreifende Gesang, welcher sich leider in unserm Liederbuche nicht findet „Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen“. Die Knaben hatten ihn schon geübt, und er wurde mit vieler Sicherheit gesungen. Der alte Küster dachte wohl nicht daran, welch’ trübe Erinnerungen für seine Heimath sich gerade mit diesem Gesange verbanden. Als einst Ketzerei entstanden war an beiden Ufern der Weser unter der Regierung des Erzbischofs Gerhard II., hielt derselbe es für das kürzeste Mittel, sie durch Krieg auszurotten – einem thörichten Arzte gleich, der das Uebel dadurch am Leichtesten hinwegzuschaffen sucht, daß er den Kranken tödtet. Er ließ einen Kreuzzug gegen die Ketzer predigen, und die landgierige Ritterschaft strömte auf seinen Ruf zusammen, um zur Ehre Gottes und zum Vortheil ihres leeren Beutels die Feinde zu vernichten. Das Heer wandte sich zunächst gegen die Osterstader, und am Tage vor Johannis und Pauli fielen über vierhundert der vermeintlichen Ketzer in heißer Schlacht. Die Gefangenen wurden verbrannt, viele Weiber und Kinder getödtet. Darauf setzte der Erzbischof mit seinem Heere nach dem entgegengesetzten Ufer der Weser über, wo die andere Hälfte des ketzerischen Stammes wohnte, die Westerstader, oder, wie sie gewöhnlich genannt werden, die Stedinger. An einem schwülen Sommertage kam es bei Altenesch zum Kampfe, der lange währte, aber zuletzt mit dem Siege des Erzbischofs endete. Sechstausend Stedinger waren gefallen, aber mit unerwarteter Milde wurden die Gefangenen behandelt, Land und Freiheit ihnen wiedergegeben und nur eine geringe Meierpflicht auferlegt. Während der Schlacht, als der Kampf am heißesten war, standen dreißig Mönche auf einem Hügel in der Nähe des Streits, erhoben die Hände

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_131.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)