Seite:Köster Alterthümer 141.png

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jetzigen Welt nur als ein sonderbares Naturereigniß betrachtet werden würde. Eine gläubige Zeit sieht Mahnungen zur Buße, wo eine andere Zeit nur gleichgültigen Zufall entdeckt.

Fragt man aber, ob diese so weit ausgedehnte und mit dem täglichen Leben stets durchflochtene kirchliche Feier wirklich so viel Heilsames und Befriedigendes hatte, so müssen wir es unbedingt bejahen. Unserer Zeit, welcher es schwer wird, sonntäglich zwei Stunden der kirchlichen Andacht zu widmen, scheint ein täglicher, öffentlicher Gottesdienst vielleicht übertrieben, und es wird gefragt, woher nahmen die Leute die Zeit dazu? Es war täglich eine Stunde, welche der Arbeit entzogen wurde; diese Stunde konnte erübrigt werden. Der Geist der Zeit hatte sich damals noch nicht auf das Irdische allein geworfen; wenn der gewöhnliche Mann Nahrung und Kleidung hatte, brauchte er wenig mehr; ein Wirthshausleben unserer Zeit gab es nicht; es ward niemand verleitet, den Schweiß der Woche in einem Sonntagabend zu vergeuden. Die Gelegenheiten zur Verschwendung lagen nicht täglich vor, wie jetzt, wo man die meisten Wirthshänser als Anstalten betrachten kann, welche nicht dem Bedürfniß und der Nothdurft der Menschen dienen, sondern ihrer Vergnügungssucht und Schwelgerei. Wirthshäuser damaliger Zeit hatten strenge Hausordnung. Die Reisenden mußten sich derselben unterwerfen. Wenn sie in ein Gasthaus gingen, aßen sie mit dem Wirth und seiner Familie; ein Essen zu ungewöhnlicher Zeit zu bestellen, wäre sehr auffällig und nicht immer von Erfolg gewesen. Der Morgenimbiß war gemeinschaftlich, wie das Mittagsessen und Abendbrod. Der Reisende konnte sich nur einen Trunk geben lassen zu aller Zeit, denn Durst wurde bei einem Deutschen vorausgesetzt zu aller Zeit. Vornehme Leute erlaubten es sich, des Morgens nach den Rathssitzungen die Verhandlungen im Wirthshause oder in der Apotheke noch einmal zu durchsprechen, wurden aber oft von den Predigern darüber gestraft. Gemeine Leute nahmen sich es nicht heraus. Für sie gab es nur Festlichkeiten bei Hochzeiten, Kindtaufen und Jahrmärkten. Diese Gelegenheiten dienten dazu, das dem Menschen inwohnende

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_141.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)