Seite:Köster Alterthümer 184.png

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jungen Weidenbaume, da sie nicht alle aufsteigen können und doch auch keinen Grund haben, die Fluth über sich gehalten, Andere aber an Pferdeschwänzen an fremde Worthe geschleppt sind, doch es ist zu weitläuftig. Nur noch von unserm Gottesdienste will ich einige Meldung thun. Als der Einwohner mehr wurden, haben sie erstlich einen Schulmeister angenommen, darauf einen lateinischen Schüler, den sie Friedericus genannt, der ein paar Jahre allhier Schule gehalten und gepredigt; ferner haben sie zu obgedachter Condition angenommen einen Academicum, Henricum Panselin, Stadensem, dem es aber hier nicht gefallen, und daher nur ein halbes Jahr geblieben ist; nachdem aber Wanerum Ascanium Clausing aus Braunschweig, der vierzehn Jahre hier, wiewohl in eines gemeines Hausmanns (Hofbesitzers) Hause, des Wilhelm Tecklenborg, informiret und geprediget hat. Nach diesem kam Johann Wilken von Barge, Drochtersensis, der nur in’s andere Jahr hier war; da fing man an, auf den Kirchenbau zu denken. – Zuletzt kam Ulricus Becker, Hamburgensis, und war elf Jahre in obbesagter Condition hier, und nachher Pastor. Der Gottesdienst ward so gehalten: Der studiosis stand hinter einer Kiste, darauf ein weißes Leinentuch lag, mußte selber singen und predigen. Mitten auf der Tenne, da man pflegte zu dreschen, waren Bänke gemacht, die man aufheben konnte, da saß das Frauenzimmer, rund herum standen die Mannspersonen. Allein bald krähte der Hahn, bald blöckete das Kalb, bald schrie ein Kind im Hause; im Sommer aber pflegten sie das Predigen einzustellen und hinüber nach Drochtersen zu fahren, ob ihrer schon zuweilen bei 200 waren; wer aber communiciren wollte, mußte dorthin, imgleichen mußten die Kinder zur Taufe dahingebracht werden. Doch, ob das schon seine Beschwerde hatte, war’s doch nichts gegen die Winterszeit, vorzüglich wenn Treibeis in der Elbe war. Da starben die Kranken ohne Nachtmahl, Kinder lagen lange, zuweilen wohl acht Wochen, ohne Taufe, Verstorbene verweseten fast in den Häusern.

Wegen dieser und anderer Ungelegenheit erlangete man von Ihrer Majestät zu Schweden Permission, eine Kirche zu bauen. Unsere damalige Obrigkeit, Graf Christoffer

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_184.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)