Seite:Köster Alterthümer 220.png

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von dem alten Grabe und schlich nun hinter’s Grab, von wo er, durch die lange Haide verdeckt, seitwärts auf den See schauete. Zu seinem großen Erstaunen erblickte er bald einen ungeheuern Drachen, der im Wasser aus Lust sich tummelte und zuletzt auf’s Ufer sich im Sonnenschein hinstreckte; Muße genug hatte der Hirte, seine Länge auf ungefähr 22 Fuß zu schätzen; gern hätte er mit ihm gekämpft, aber die ungeheure Größe des Drachen war zu unverhältnißmäßig gegen seine, um einen Strauß voraussichtlich mit Erfolg bestehen zu können. Was er geschaut, erzählte er im Dorfe und den Leuten ward bange; allein die Bangigkeit steigerte sich gar bald zur Angst; als der muthige Hirt am andern Tage sein Vieh in die Nähe des See’s trieb, soffen einige Thiere aus dem See und waren am Abend schon todt. Schnell ging die Kunde davon von Haus zu Haus mit der Aufforderung, sich eiligst zu versammeln, um das Nothwendige zu berathen. Man kam überein, weil man den See schwerlich ausschöpfen oder durch einen tiefern Abzugsgraben trocken legen könnte, so wolle man ihn einhegen und dem Vieh unzugänglich machen. In Folge dieses Beschlusses fuhren sie auf Wagen und Karren am andern Morgen Busch- und Pfahlwerk hinaus und unter Anordnung des klügsten Mannes machten sie einen hohen Zaun, den sie überher von Außen mit Dorngesträuch bespickten. Damit meinten sie gegen die Gefahr und gegen die Unfälle hinreichende Vorkehrung getroffen zu haben; allein das ganze Bollwerk, ungeachtet seiner Festigkeit, erwies sich als völlig unzulänglich. Kaum gelangte am nächsten Tage die Heerde in die Nähe des See’s, so rannte sie wie bezaubert im Galopp nach der Umzäunung, bohrte mit ihren Hörnern in das Flechtwerk und da der große Drache von innen ihnen tüchtig Hülfe leistete, so war bald eine Bresche gemacht, durch welche das Vieh zum Wasser drang, voll Gier soff und unter Aechzen und Gestöhn einige Stunden später verendete.

Von solchem harten Verluste getroffen, wandte Donnern sich zu seinem Pastor in Beverstedt und bat um ein öffentliches Gebet, die Drangsal abzuwenden. Aber der Drache wollte nicht weichen, sintemal die Macht der Hölle

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_220.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)