Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 013.jpg

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     „Sollte das genug nicht scheinen,
Weiß ich noch so manche Dinge,
Kann so manche Sache sagen:
Nordland pflügte mit dem Rennthier,
Südland mit dem Mutterpferde,

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Hinterlappland mit dem Stiere;

Kenn’ die Bäum’ des Pisaberges,
Auf dem Hornafels die Föhren,
Schlank sind auf dem Berg die Bäume,
Auf dem Hornafels die Föhren.“
     „Drei nur giebt es Wasserfälle,
Ebensoviel schöne Seeen,
Ebensoviel hohe Berge
Unter diesem Himmelsbogen:
Bei den Jaemen Hälläpyörä,

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Kaatrakoski in Karjala,

Nicht bestritten wird der Wuoksen,
Übertroffen der Imatra.“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Kinderklugheit, Weiberweisheit
Ziemet nicht dem bärt’gen Braven,
Nicht dem Manne, der beweibet;
Sage mir der Dinge Ursprung
Und erzähle mir ihr Wesen.“
Sprach der junge Joukahainen,

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Redet Worte solcher Weise:

„Kenne wohl der Meise Ursprung,
Weiß gar wohl, daß sie ein Vogel,
Daß die grüne Natter Schlange,
Fisch im Wasser sei der Kaulbarsch,
Daß das Eisen schwächer werde,
Sauer werde schwarze Erde,
Schlimmer auch das heiße Wasser,
Und des Feuers Hitz’ gefährlich.“
„Wasser ist der Mittel ält’stes,

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Schaum der Zaubermittel erstes,

Von den Ärzten ist der Schöpfer,
Von den Helfern Gott der erste.“
     „Aus dem Berge kam das Wasser,
Hoch vom Himmel fiel das Feuer,
Aus dem Rost entstand das Eisen
Und das Kupfer kam aus Felsen.“
     „Ält’stes Land sind feuchte Bühle,
Wie die Weid’ der Bäume erster,
Tannen sind die ersten Häuser,

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Blöcke sind die ersten Grapen.“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Weißt du weiter was zu sagen,
Oder ist der Unsinn alle?“
     Sprach der junge Joukahainen:
„Werd’ wohl noch ein wenig wissen,
Wissen von der grauen Vorzeit,
Als ich ackerte die Meere
Und des Meeres Hügel hackte,

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Dort der Fische Grotten graben,

Dort die Tiefen senken mußte,
Als die Seen ich ließ erstehen,
Berge aus dem Boden steigen,
Felsen sich zusammenhäufen.“
     „Ferner habe ich als sechster,
Ich als siebenter der Helden
Diese Erde hier erschaffen,
Hab’ den Luftraum ich gegründet,
Fest die Pfeiler in den Lüften,

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Aufgebaut des Himmels Bogen,

Auf den Weg den Mond gewiesen,
Aufgestellt die liebe Sonne,
Bracht’ den Bär an seine Stelle,
Streute Sterne aus am Himmel.“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Bist ein überfrecher Lügner;
Nimmer warst du da zugegen,
Als geackert sind die Meere,
Als gehackt des Meeres Hügel,

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Als man grub der Fische Grotten,

Als die Tiefen man gesenket,
Als die See’n man ausgestreuet,
Als die Berge sich erhoben,
Als die Felsen sich gethürmet.“
     „Nimmer hat man dich gesehen,
Nicht gesehen, nicht gehöret,
Als die Erde ward erschaffen,
Als der Luftraum ausgebreitet,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_013.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)