Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 030.jpg

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Viel zu hoch enteilet dieser,
Über seinen Kopf zum Himmel,
Daß die Wolken schier zerbersten,
Er die Lämmerwolken sprenget.
     Schoß dann weiter unbekümmert,

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Schoß den zweiten seiner Pfeile,

Viel zu niedrig eilte dieser,
Tief hinein in unsre Erde,
Wollt’ zur Unterwelt selbst dringen,
Um den Sandberg zu zerspalten.
     Grade schoß er ab den dritten,
Grade ging der Pfeile dritter
In die Milz des blauen Elenns,
Traf des alten Wäinämöinen’s
Roß mit strohhalmleichtem Körper,

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Traf das erbsenstengelgleiche

Durch das Fleisch, am Kummet-Knochen
Durch die linke seiner Schultern.
     Darauf stürzte Wäinämöinen
Rasch ins Naß mit seinen Fingern,
Mit den Händen in die Wogen,
Stürzte mit der Faust zum Schaume
Von des blauen Elenns Rücken,
Von dem Roß, dem überleichten.
     Es entstand ein großer Sturmwind,

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Mächt’ge Wallung in dem Meere,

Trug den alten Wäinämöinen,
Schwemmt ihn weiter fort vom Lande
Auf den weiten Wasserstrecken
Auf den ausgedehnten Fluthen.
     Darauf prahlte Joukahainen
Selber laut auf diese Weise:
„Wirst, o alter Wäinämöinen,
Nimmermehr in deinen Leben
Nimmermehr mit deinen Augen,

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Nie solang das Mondlicht leuchtet,

Seh’n die Fluren von Wäinölä,
Nie die Flächen Kalewala’s!“
     „Schwimm im Meere sechs der Jahre,
Folg’ den Wogen sieben Sommer,
Rausche jetzo acht der Jahre
In den weiten Wasserstrecken,
In den ausgedehnten Fluthen,
Wie die Fichte sechs der Jahre,
Wie die Tanne sieben Jahre,

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Acht der Jahre wie ein Baumstumpf!“

     Ging dann wieder in die Stube,
Wo die Mutter also fragte:
„Hast den Wäinö du getroffen,
Ihn, den Helden von Kalewa?“
     Gab der junge Joukahainen
Ihr zur Antwort diese Worte:
„Hab den Wäinö schon getroffen,
Ihn, den Helden von Kalewa,
Daß er nun das Meer durchfege,

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Er die Fluthen munter kehre,

In den schlummerreichen Wellen;
In der Fluthen weiten Spiegel
Fiel der Alte mit den Fingern,
Stürzt’ er mit dem Handgelenke,
Krümmte sich auf eine Seite,
Blieb dann auf dem Rücken liegen,
Um so durch die Fluth zu treiben,
Durch die Wellen hinzusteuern.“
     Doch die Mutter sprach die Worte:

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„Schlecht hast du gethan, o Ärmster,

Daß auf Wäinö du geschossen,
Auf den Helden von Kalewa,
Auf den Helden Suwantola’s
Auf die Zierde Kalewala’s.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_030.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)