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„Nimm, o Wind, ihn in dein Fahrzeug,
Trage ihn mit deinem Boote
Rasch davon, daß er gelange
Nach dem nimmerhellen Nordland!“
Es erbraust ein starker Sturmwind,

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Wild durchwühlet er die Lüfte,

Führt den Schmieder Ilmarinen
Eiligst fort von dieser Stätte
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem trüben Sariola.
     Also fuhr Schmied Ilmarinen
Fort von dannen, eilet weiter,
Fährt so auf der Bahn des Windes,
Auf dem Pfad der frischen Lüfte,
Über Mond und unter Sonne,

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Auf des Bären breiten Schultern;

Hielt dann bei dem Hof Pohjola’s,
An dem Badeweg Sarjola’s,
Ungehöret von den Hunden,
Nicht gewittert von den Kläffern.
     Louhi, sie, Pohjola’s Wirthin,
Nordlands zähnearme Alte,
Stand dort selber auf dem Hofe,
Sprach geschwinde diese Worte:
„Wer denn bist du von den Männern,

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Wer wohl aus der Zahl der Helden?

Kamst hieher auf Windes Bahnen,
Auf dem Schlittenpfad der Lüfte,
Wardst nicht angebellt vom Hunde,
Nicht bemerkt vom Wollschwanzträger.“
     Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Bin fürwahr nicht hergekommen,
Daß die Hunde mich hier schänden,
Diese Wollschwanzträger schaden
An den unbekannten Thüren,

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Bei den fremden Eingangspforten.“

     Darauf sucht des Nordlands Wirthin
Den Gekommnen auszuforschen:
„Bist du je bekannt geworden,
Hast gehört du und erfahren
Von dem Schmieder Ilmarinen,
Dem geschickten Schmiedekünstler?
Lange wird er schon erwartet,
Lange hier herbeigesehnet,
An des Nordlands weiten Gränzen,

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Daß er neu den Sampo schmiede.“

     Sprach der Schmieder Ilmarinen
Selber Worte dieser Weise:
„Bin gewiß bekannt geworden
Mit dem Schmieder Ilmarinen,
Bin ja selber Ilmarinen,
Selbst geschickt als Schmiedekünstler.“
     Louhi, sie, des Nordlands Wirthin,
Nordlands zähnearme Alte,
Ging geschwinde in die Stube,

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Redet Worte solcher Weise:

„Meiner Töchter allerjüngste,
Du das beste meiner Kinder,
Kleid dich auf das Beste heute,
Lege an die schönsten Röcke,
Schmück dich mit den schönsten Perlen,
Mit dem Hübschsten deinen Busen,
Mit dem Nettsten deinen Nacken,
Mit dem Buntsten deine Schläfen,
Sorge du für rothe Wangen,

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Für den Glanz des Angesichtes;

Schon gekommen ist der Schmieder,
Der geschickte Ilmarinen,
Daß er uns den Sampo schmiede,
Uns den bunten Deckel hämmre.“
     Nordlands wunderschöne Tochter,
Eine Zier von Land und Wasser
Nahm die ausgewähltsten Kleider,
Der Gewänder allerreinste,
Schichtet fünfe auf einander,

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Legt zurecht den Schmuck des Hauptes,

Thut sich um das Kupferbändchen,
Schmückt sich mit dem goldnen Gürtel.
     Kam vom Vorrathshaus zur Stube,
Von dem Hofe in die Stube,
Ist voll Schönheit an den Augen,
An den Ohren hochgestaltet,
Mit gar strahlendem Gesichte,
Mit der Wangen schöner Röthe,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_049.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)