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An des blauen Steines Rücken,
Auf dem Sumpfe voller Schwanken,

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An der Quelle mit dem Sprudel,

An des Wasserfalles Steinen,
Bei der Wendung heft’ger Strömung.
     Sprach der muntre Lemminkäinen
Selber Worte solcher Weise:
„Steigt empor, ihr Schwertes Männer,
Ihr, der Erde ew’ge Helden,
Aus der Tief’, ihr Sichelträger,
Aus den Bächen, Bogenschützen!
Komm, o Wald, mit deinen Männern,

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Dickicht, du mit deinen Schaaren,

Berggreis, du mit deinen Kräften,
Wasser-Hiisi, mit den Grausen,
Wassermutter, mit den Mächten,
Wasser-Alte, mit den Haufen.
Mädchen ihr, aus allen Thälern,
Zartbesäumt aus allen Quellen,
Zu dem Schutz des einz’gen Mannes,
Als Genossenschaft des Helden,
Daß der Zaubrer Pfeil erstumpfe,

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Ihre Schneiden nichts vermögen,

Nichts des Kund’gen Eisenmesser,
Nichts der Bogenschützen Waffen.“
     „Sollte das genug nicht scheinen,
Kann ich noch ganz andre Mittel,
Wende seufzend mich nach oben
Hin zum Alten in dem Himmel,
Der die Wolken all’ beherrschet,
Der die Lämmerwolken lenket.“
     „Ukko, du, o Gott dort oben,

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Alter Vater in dem Himmel,

Der du durch die Wolken redest,
Durch die Luft dich offenbarest!
Reiche mir ein Schwert voll Feuer
Mit der Scheide voller Feuer,
Daß den Schaden ab ich wende,
Daß den Unfall ich verhindre,
Daß die Zaubrer aus der Erde,
Aus dem Wasser ich bezwinge,
Alle die nach vorne stehen,

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Und die hinten sich befinden,

Über mir und an den Seiten,
An den Hüften sich versammelt,
Sammt den Pfeilen alle Zaubrer
Mit den Eisenmessern banne,
Sie mit ihren scharfen Schneiden,
Sammt dem Schwert die schlimmen Männer!“
     Pfeifend zaubert Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli
Rasch sein Füllen aus dem Busche,

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Von dem Feld das Goldbemähnte

Spannt sein Roß in das Geschirre,
Spannt das braune in die Deichsel,
Setzt sich selber in den Schlitten
Und erhebt sich auf dem Sitze,
Schlug das Roß mit seiner Peitsche,
Knallte mit der knotenreichen;
Hurtig läuft sein Roß von dannen,
Rasch enteilt der schöne Schlitten,
Daß der Silbersand errauschte,

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Daß die goldne Fläche dröhnte.

     Reiste einen Tag, den zweiten,
Reiste noch am dritten Tage,
Endlich an dem dritten Tage
Traf ein Dorf er auf dem Wege.
     Selbst der muntre Lemminkäinen
Jagte rauschend auf dem Wege,
Auf der Straße dicht am Rande
Nach dem Hofe an dem Rande
Fragt dort an des Hauses Schwelle,

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An des Daches Pfosten also:

„Ist wohl in der Stube jemand,
Der die Brustbedeckung lösen,
Der die Deichselstangen senken,
Der das Kummet heben könnte?“
     Sprach ein Kindlein von dem Boden,
Von der Schwelle da ein Knabe:
„Niemand ist in dieser Stube,
Der die Brustbedeckung lösen,
Der die Deichselstangen senken,

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Der das Kummet heben könnte.“
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_062.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)