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Wenn der Sohn so schlecht gehandelt,
Wenn das Kind so schlimm gerathen.“
     „Kann es auch nicht recht begreifen,
Kann’s nicht ordentlich ergründen,
Wie du, Hiisi, hier verschlucket,

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Wie du, Scheusal, hergerathen,

Mich zu beißen, mich zu plagen,
Mich zu fressen und verzehren;
Bist du Krankheit, die der Schöpfer,
Siechthum, die der Höchste sandte,
Oder bist du sonst geschaffen,
Bist von andern mir bereitet,
Gegen Lohn hieher gesendet,
Gegen Geld hieher bestellet?“
     „Bist du Krankheit, die der Schöpfer,

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Siechthum, die der Höchste sandte,

So vertraue ich dem Schöpfer,
Übergebe mich dem Höchsten,
Nicht verläßt der Herr die Guten,
Nicht verdirbt er je den Braven.“
     „Bist von Menschen du geschaffen,
Bist durch Andre du verursacht,
Werd’ ich dein Geschlecht erfahren,
Deinen Ursprung schon erkunden.
     „Früher kam von dort Verletzung,

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Kam von dort des Zaubers Unheil,

Aus dem Umkreis mächt’ger Zaubrer,
Aus der Nähe Sangeskund’ger,
Aus dem Sitze böser Geister,
Von der Zeichendeuter Fluren,
Von des Todtengottes Ebnen,
Aus dem Inneren der Erde,
Aus des todten Mannes Wohnung,
Aus dem Hause des Entschwundnen,
Aus dem aufgeschwollnen Boden,

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Aus der oft durchwühlten Erde,

Aus dem Kiesland voller Wirbel,
Aus dem Sandland voller Rauschen,
Aus den senkungsreichen Thälern,
Aus den moosberaubten Sümpfen,
Aus den Quellen voller Leben,
Aus den Wogen voller Schwankung,
Aus des Hiisi-Waldes Hürden,
Aus den Schluchten von fünf Bergen,
Von des Kupferberges Seiten,

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Von des Erzgefüllten Gipfel,

Von der Fichte reich an Brausen,
Von der Tanne reich an Sausen,
Von der hohlen Föhre Wipfel,
Aus dem morschen Tannenwalde,
Aus dem Jammerloch des Fuchses,
Von der Flur der Elennthiere,
Aus des Bären Felsenhöhlen,
Aus des Breitbeins Steingemächern,
Von den weiten Nordlandsgränzen,

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Aus des Lappenlandes Öden,

Aus den schößlingsarmen Hainen,
Von den ungepflügten Feldern,
Von den großen Schlachtgefilden,
Von der Männer Kampfesstätte,
Von den welkgewordnen Kräutern,
Von dem Blute, das da dampfet,
Von des weiten Meeres Rücken,
Von den ausgedehnten Ebnen,
Von dem schwarzen Schlamm der Meeres,

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Aus der Tausendklaftertiefe,

Aus den Strömen voller Zischen,
Aus den Wirbeln voller Flammen,
Aus dem heft’gen Rutjafalle,
Aus des Wassers kräft’ger Wendung,
Von des Himmels hintrer Hälfte,
Von dem Rand der dürren Wolken,
Von dem Pfad der Frühlingswinde,
Von des Windes Ruhestätten.“
     „Bist von dort du hergerathen,

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Bist du, Übel, hergeeilet

In das Herz, das nichts verschuldet,
In den Bauch, der nichts verbrochen,
Ihn zu fressen, zu verzehren,
Ihn zu beißen, ihn zu spalten?“
     „Weich’ von hinnen, Hund des Hiisi,
Stürze nieder, Welp Manala’s,
Geh mir, Scheusal, aus dem Leibe,
Aus der Leber mir, o Unthier,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_090.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)