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Laß das Herzblatt unverzehret,

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Laß die Milz mir ungestöret,

Meinen Magen ungewalket,
Meine Lunge ungewendet,
Meinen Nabel undurchbohret,
Meine Schläfen ungefährdet,
Quäle nicht den Rückenknochen,
Hau’ nicht los auf meine Hüften!“
     „Wenn ich nicht als Mann erscheine,
Werd’ ich einen bessern senden,
Um das Unheil wegzuschaffen,

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Um das Scheusal zu vernichten.“

     „Ruf’ von unten Erdenweiber,
Ruf’ der Felder alte Wirthe,
Aus der Erde Schwertesmänner,
Aus dem Sand berittne Helden
Mir zur Hülfe, mir als Mächte,
Mir zur Stütze, mir zu Nutzen
Bei den mühereichen Qualen,
Bei den überharten Schmerzen.“
     „Wenn du dieses nicht beachtest,

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Dieß dich nicht zum Weichen bringet,

Komm, o Wald, mit deinen Männern,
Mit dem Volke, du Wachholder,
Tannenhain mit deinen Knechten,
Binnensee mit deinen Kindern,
Hundert Mann mit ihren Schwertern,
Tausend Helden voller Eisen,
Diesen Hiisi hier zu quälen,
Ihn, den Unhold, zu zerdrücken!“
     „Wenn du dieses nicht beachtest,

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Dieß dich nicht zum Weichen bringet,

Steig empor, o Wassermutter,
Blaubemützet aus den Wogen,
Weichen Saumes aus der Quelle,
Aus dem Schlamme reingestaltet
Zu dem Schutz des schwachen Helden,
Zu des kleinen Mannes Besten,
Daß ich schuldlos nicht gefressen,
Krankheitlos getödtet werde!“
     „Wenn du dieses nicht beachtest,

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Dieß dich nicht zum Weichen bringet,

Komm, der Schöpfung hehre Tochter,
Du, o schöne, goldne Iungfrau,
Du, die älteste der Frauen,
Du, die früheste der Mütter,
Komm, die Schmerzen hier zu sehen,
Komm, das Unheil abzuwenden,
Diese Qualen zu entfernen,
Diese Plage fortzuschaffen.“
     „Willst du dieses nicht beachten,

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Willst du nicht von hinnen weichen,

Ukko an des Himmels Nabel,
An dem Rand der Donnerwolke,
Komm herbei, du bist von Nöthen,
Komme rasch, du wirst gerufen,
Schlechte Werke wegzuschaffen,
Die Bezaub’rung fortzutreiben
Mit dem Schwerte voller Feuer,
Mit der Klinge voller Funken.“
     „Gehe, Scheusal, auf die Wandrung,

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Fliehe fort, des Landes Plage;

Nimmer ist hieselbst dein Wohnsitz,
Wenn du auch des Sitz’s benöthigt;
Anderswo setz’ deine Stätte,
Weiter fort du die Behausung,
Bei dem Wohnsitz deines Wirthen,
Auf den Wegen deiner Wirthin!“
     „Bist du dann dorthin gekommen,
An des Weges End’ gelanget,
In die Nähe deiner Eltern,

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Zu den Triften deiner Schöpfer,

Gieb ein Zeichen, daß du da bist,
Ganz geheim, daß du gekommen,
Tose wie des Donners Krachen,
Blitze wie des Feuers Schimmer,
Stoße an die Thür vom Hofe,
Zieh ein Brett herab vom Fenster,
Schlüpfe darauf in das Innre,
Fliege flatternd in die Stube,
Fasse an des Fußes Sehne,

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An der Ferse schmalste Stelle,

Pack’ den Wirth im fernsten Winkel
An der Thüre du die Wirthin,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_091.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)