Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 106.jpg

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Daß den Kopf du aufrecht haltest,
Du den Hals nach oben streckest;
Weiche fort nun aus dem Wege,
Gehe in die Stoppeln, Arge,
Schlüpfe du in dichtes Buschwerk,
Schwinge dich auf gras’ge Plätze!
Hebest du den Kopf von daher,
Wird dir Ukko ihn zerbrechen,
Mit den Pfeilen, die gestählet,

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Mit den eisenreichen Schlossen.“

     Pflügte dann das Feld voll Schlangen
Und durchfurcht’ das Land voll Nattern,
Hebt die Schlangen bei dem Pflügen,
Hebt die Nattern bei dem Ackern,
Spricht, als er zurückgekommen:
„Hab’ gepflügt das Feld voll Schlangen,
Hab’ durchfurcht das Feld voll Nattern,
Umgewandt das schlangenreiche,
Gieb mir deine Tochter, Alte,

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Und gewähre mir die Theure!“

     Sprach die Wirthin von Pohjola
Selber Worte solcher Weise:
„Werde dann die Tochter geben,
Dir die Jungfrau dann verleihen,
Wenn du Tuoni’s Bären bringest,
Wenn Manala’s Wolf zu zügelst
Aus dem Hain des Todtenreiches,
Von den Gränzen von Manala;
Hundert gingen ihn zu zügeln,

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Keiner ist zurückgekehret.“

     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Gehet in des Mädchens Stube,
Redet Worte solcher Weise:
„Ist ein Werk mir auferleget,
Zügeln soll den Wolf Manala’s,
Ich den Bären Tuoni’s holen
Aus dem Hain des Todtenreiches,
Von den Gränzen von Manala.“
     Von der Braut ward ihm da Hülfe,

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Solchen Rath gab ihm die Jungfrau:

„O du Schmieder Ilmarinen,
Du, der ew’ge Schmiedekünstler!
Schmied aus Stahl dir gute Zügel,
Mache Riemen du aus Eisen
Dir auf einem Stein im Wasser,
In dem Schaum von dreien Strömen,
Damit bringst den Bären Tuoni’s,
Zügelst du den Wolf Manala’s.“
     Ilmarinen drauf der Schmieder,

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Er, der ew’ge Schmiedekünstler,

Schmiedet sich von Stahl erst Zügel,
Machet Riemen dann aus Eisen
Sich auf einem Stein im Wasser,
In dem Schaum von dreien Strömen.
     Ging die Thiere dann zu zügeln,
Redet selber diese Worte:
„Terhenetär, Nebeltochter,
Siebe mit dem Sieb den Nebel,
Streue nebelreichen Schatten,

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Wo die wilden Thiere weilen,

Daß sie mich nicht kommen hören,
Nicht vor mir die Flucht ergreifen!“
     Zügelt dann des Wolfes Rachen,
Fesselt mit der Kett’ den Bären
Von den Fluren von Tuoni,
Aus des blauen Haines Innerm,
Spricht, als er zurückgekommen:
„Gieb mir, Alte, deine Tochter,
Hab’ gebracht den Bär Tuoni’s,

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Zügelte den Wolf Manala’s.“

     Selbst die Wirthin von Pohjola
Redet Worte solcher Weise:
„Gebe dir erst dann das Entlein,
Gebe dir das blaue Vöglein,
Wenn den großen Hecht gefangen,
Du den fetten Fisch mir bringest
Aus dem Flusse von Tuoni,
Aus den Tiefen von Manala,
Ohne daß ein Garn du stellest,

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Ohne daß ein Netz du ziehest;

Hundert wollten ihn schon fangen,
Keiner ist zurückgekehret.“
     Schon verdrießlich ward der Schmieder
Und gerieth in große Drangsal,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)