Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 121.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf die stillen Schneegefilde,
Auf das Land mit Milchesfarbe!“
     „Tränke du das Roß des Eidams
Aus der Quelle in der Nähe,
Deren Naß stets munter fließet,
Gleich den Molken lebhaft sprudelt
An der goldnen Fichte Wurzel,
An der Tanne voller Schatten.“
     „Füttre du das Roß des Eidams

90
Aus dem goldnen Futterkasten,

Aus der kupferreichen Schachtel
Mit gelesnem Korn und Gerste,
Mit gekochtem Sommerweizen,
Mit gestampftem Sommerroggen!“
     „Führe dann das Roß des Eidams
Zu der allerbesten Krippe,
Zu der allerhöchsten Stelle,
Zu der hintersten der Hürden,
Binde dort das Roß des Eidams

100
Fest an gute, goldne Ringe,

An die eisenreichen Haken,
An die Stütz’ vom Masernholze;
Gieb dem Rosse meines Eidams
Eine Mulde voll von Hafer,
Eine zweite heugefüllet
Und voll Spreu gieb ihm die dritte!“
     „Striegle du das Roß des Eidams
Mit der Bürst’ aus Fisches Gräten,
Daß die Haare nicht verderben,

110
Nicht der Schweif beschädigt werde;

Decke du das Roß des Eidams
Mit der silberreichen Decke,
Mit dem golddurchwirkten Tuche,
Mit der kupferreichen Hülle!“
     „Küchlein ihr, des Dorfes Knaben,
Führt den Eidam in die Stube,
Mit den unbedeckten Haaren,
Mit den Händen ohne Handschuh!“
     „Möchte sehen, ob der Eidam

120
In die Stube wohl gelanget,

Ohn’ die Thüre auszuheben,
Ohn’ die Pfosten wegzuschaffen,
Ohn’ das Querholz zu erhöhen,
Ohn’ die Schwelle zu vertiefen,
Ohn’ die Eckwand einzureißen
Und die Balken zu verrücken!“
     „Nicht gelangt zur Stub’ der Eidam,
In die Wohnung nicht dieß Goldstück,
Ohn’ die Thüre auszuheben

130
Und die Pfosten wegzuschaffen,

Ohn’ das Querholz zu erhöhen
Und die Schwelle zu vertiefen,
Ohn’ die Eckwand einzureißen
Und die Balken zu verrücken,
Einen Kopfhoch ist der Eidam,
Eine Ohrenlänge höher.“
     „Hebet nun der Thüre Querholz,
Ohne daß die Mütz’ er lüfte,
Laßt die Schwelle tiefer werden,

140
Ohn’ den Absatz zu berühren,

Schaffet fort die Seitenpfosten,
Öffnet weit die Eingangsthüre,
Wenn herein der Eidam schreitet,
Wenn der Brave näher kommet!“
     „Gott der gute sei gepriesen,
Eingetreten ist der Eidam!
Möchte in die Stube blicken,
Meine Augen dahin richten,
Ob die Tische dort gewaschen,

150
Ob die lange Bank begossen,

Ob die Planken wohl gescheuert
Und die Bretter wohl gekehret!“
     „Blicke in der Stube Innres,
Kann es durchaus nicht erkennen,
Nicht, aus welchem Holz die Stube
Und das Schutzdach wohl gezimmert,
Wo die Wände hergenommen
Und die Planken so gefüget.“
     „Igelknöchern sind die Seiten,

160
Rennthierknochen sind im Grunde,

Vielfraßknöchern ist die Thürwand,
Lämmerknöchern ist das Querholz.“
     „Apfelhölzern sind die Sparren,
Masernholz die schönen Pfosten,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_121.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)