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Daß die Bärte von dem Hopfen,

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Weiß sie von dem Schaume fließen

Bei den eingeladnen Gästen
Und vor allen bei dem Eidam.
     Was geschah nun wohl dem Biere,
Was wohl sprach das reifenreiche,
Als es in des Sängers Nähe,
Zum Verherrlicher gekommen,
Zu dem alten Wäinämöinen,
Zu des Sanges kräft’ger Stütze,
Ihm, der kunstreich war in Liedern

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Und der Zaubersprecher bester?

     Nahm das Bier vor allen andern,
Redet Worte solcher Weise:
„Liebes Bier, du schön Getränke,
Laß die Leut’ nicht schweigend trinken;
Treib die Männer zum Gesange,
Zu dem Lied mit goldnem Munde!
Wundern müssen sich die Wirthe,
Also sprechen muß die Wirthin:
Schon gewelket sind die Lieder,

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Frohe Zungen schon verstummet,

Habe schlechtes Bier gebrauet,
Schlechten Trank hier eingegossen,
Da die Sänger gar nicht singen,
Liedersprecher sich nicht rühren,
Nicht die goldnen Gäste lärmen
Und der Jubelkuckuck schweiget.“
     „Wer soll hier ein Lied erheben,
Wessen Zunge hier ertönen
Bei des Nordlands großem Schmause,

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Beim Gelage Sariola’s,

Nimmer singet hier die Sitzbank
Ohne Leute, die sie decken,
Nicht ertönet hier der Boden
Ohne Leute auf demselben,
Munter werden nicht die Fenster
Ohn’ die Wirthe an dem Fenster,
Lärmen nicht des Tisches Kanten
Ohn’ die Männer an den Kanten,
Nimmer wird das Rauchloch toben

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Ohne die, die unten sitzen.“

Auf dem Boden saß ein Knabe,
Auf der Ofenbank ein Milchbart,
Sprach der Knabe von dem Boden,
Von der Ofenbank das Kindlein:
„Bin noch klein und jung an Jahren,
Bin gar schwach und dünn am Leibe,
Aber sei dem, wie ihm wolle,
Da die Fetteren nicht singen,
Nicht die kräft’gen Männer sprechen

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Und die muntern sich nicht rühren,

Will ich, magrer Knabe, singen,
Ich, das dürre Kindlein, trällern,
Aus dem magern Leibe singen,
Bei den fettberaubten Hüften
Zu des Abends größrer Freude,
Zu des schönen Tages Ehre.“
     Auf dem Ofen lag ein Alter,
Redet Worte solcher Weise:
„Singen sollen hier nicht Kinder,

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Nicht die schwachen Wesen wimmern,

Lügenreich sind Kinderlieder,
Unwahr sind der Mädchen Weisen:
Gieb das Lied dem Weisheitsvollen,
Dem, der Platz hat auf der Sitzbank!“
     Selber sprach drauf Wäinämöinen,
Er, der Alte, diese Worte:
„Giebt es hier in dieser Jugend,
In dem hochgeehrten Stamme,
Der die Hand zur Hand wohl legte,

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Der sie an einander fügte,

Der an’s Singen sich dann machte,
Frohe Lieder dann erhöbe
Zu der Freude dieses Tages,
Zur Verherrlichung des Abends?“
     Sprach der Alte von dem Ofen:
„Nie hat man hieselbst gehöret,
Nie gehöret, nie gesehen,
Nie, so lang’ die Zeiten währen,
Einen Sänger, der da besser,

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Einen weisern Zaubersprecher,

Als ich war, da ich geträllert,
Da als Kind ich oft gesungen,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_123.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)