Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 149.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf des Hofes Düngerhaufen,
Auf den winterlichen Fluren,
Diese wird mich noch erkennen,

420
Daß ich Tochter bin des Hauses!“

     „Meines Vaters Lieblingspferdchen,
Das gar klein ich stets gefüttert,
Das als Mädchen ich gesättigt,
Das gar unablässig wiehert
Auf des Hofes Kehrichthaufen,
Auf den winterlichen Fluren,
Dieses wird mich noch erkennen,
Daß ich Tochter bin des Hauses.“
     „Meines Bruders Lieblingshündchen,

430
Das als Kind ich oft gefüttert,

Das als Mädchen ich belehret,
Das gar unablässig bellet
Auf des Hofes Kehrichthaufen,
Auf den winterlichen Fluren,
Dieses wird mich noch erkennen,
Daß ich Tochter bin des Hauses.“
     „Andre werden mich nicht kennen,
Wenn ich nach der Heimath komme,
Sind die Furten gleich dieselben,

440
Meine Wohnung noch die alte,

An dem Platz des Schnäpels Buchten,
Unverrücket noch die Netze.“
     „Leb’ nun wohl, geliebte Stube,
Stube mit dem Bretterdache,
Ist gar gut zurückzukehren,
Schön hieher zurückzuwandern!“
     „Lebe wohl, geliebtes Vorhaus,
Vorhaus mit dem Bretterboden,
Ist gar gut zurückzukehren,

450
Schön hieher zurückzuwandern!“

     „Lebe wohl, o Hof des Hauses,
Hof mit deinen Ebereschen,
Ist gar gut zurückzukehren,
Schön hieher zurückzuwandern!“
     „Sende Allen Abschiedsgrüße,
Grüße Land und Wald und Beeren,
Grüß’ die Raine sammt den Blumen,
Grüß’ die Fluren sammt den Kräutern,
Seeen mit den hundert Inseln,

460
Tiefe Sunde sammt den Schnäpeln,

Schöne Hügel sammt den Fichten,
Waldesschluchten sammt den Birken!“
     Schwang der Schmieder Ilmarinen
Drauf die Jungfrau in den Schlitten,
Schlug das Roß mit seiner Peitsche,
Redet Worte solcher Weise:
„Lebet wohl, des Seees Ufer,
Seees Ufer, Feldes Ränder,
Alle Tannen auf dem Berge,

470
Lange Bäume in dem Walde,

Elsbeerbaum an dieser Wohnung,
An dem Brunnen der Wachholder,
Alle Beeren auf dem Boden,
Beerenstiele, Graseshalme,
Weidenbüsche, Fichtenwurzeln,
Erlenblätter, Birkenrinde!“
     Also ging nun Ilmarinen
Von dem Hofe von Pohjola;
Singend blieben dort die Kinder,

480
Sangen Lieder solcher Weise:

„Flog hieher ein schwarzer Vogel,
Eilte durch den Wald behende,
Wußt’ das Entlein zu gewinnen,
Lockte fort von hier die Beere,
Nahm uns unsern lieben Apfel,
Führte fort den Fisch des Wassers,
Täuschte sie mit kleinem Gelde,
Lockte sie mit blankem Silber;
Wer führt uns nun zu dem Wasser,

490
Wer wird uns am Bache tränken?

Stehen bleiben nun die Eimer,
An dem Nagel bleibt die Stange,
Ungekehret bleibt der Boden,
Ungefeget auch die Bretter,
Abgenutzt des Bechers Ränder,
Dunkel stets des Kruges Ohren!“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Eilte mit der jungen Gattin,
Daß der Schlitten heftig zischte

500
An den Ufern von Pohjola
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)