Klagst du, Boot mit Ruderhaken,
Weinst du, daß du plump gezimmert,
Daß mit Haken du befestigt?“
Antwort gab der Plankennachen,
Also sprach das Boot mit Haken:
„In das Wasser will der Nachen
Wie nach eines Mannes Wohnung
Auch aus hohem Haus das Mädchen;
Deshalb wein’ ich, armer Nachen,
Klag’ ich Boot, erfüllt von Schmerzen,
Wein’ ich, damit ich in’s Wasser,
In das Meer gestoßen werde.“
„Hieß wohl, als man mich gezimmert,
Bei dem Baue ward gesungen,
Daß ich werden sollt’ ein Kriegsboot,
Daß ich reiche Güter trüge,
Auf dem Boden große Schätze;
Bin nicht in den Krieg gekommen,
Niemals auf die Fahrt nach Beute.“
„Andre Böte, selbst die schlechten,
Ziehen immer fort zum Kampfe,
Schreiten hin zu muntern Schlachten,
Dreimal in dem Lauf des Sommers
Kommen sie mit Geld beladen,
Ich ein Boot, das gut gezimmert,
Das ich hundert Bretter habe,
Faule hier auf meinen Spänen,
Liege auf dem Zimmerplatze;
Auch der Erde schlechtste Würmer
Ruhen unter meiner Wölbung,
Und die scheußlichsten der Vögel
Bauen an dem Maste Nester,
Alle Frösche aus dem Walde
Wäre wohl um zweimal schöner,
Zwei ja dreimal wär’ es besser,
Wär’ ich Tanne auf dem Berge,
Eine Fichte auf der Heide,
Mit dem Eichhorn in den Zweigen,
Mit dem Hündchen an dem Stamme.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Weine nicht, du Plankennachen,
Bald sollst du zum Kriege ziehen,
Zu dem muntern Kampfe schreiten!“
„Bist, o Boot, du von dem Schöpfer,
Bist vom Schöpfer du geschaffen,
Kannst du mit dem Rand in’s Wasser,
Seitwärts in die Fluthen schreiten,
Von den Fäusten nicht berühret,
Von den Händen nicht erfasset,
Von den Schultern nicht geschoben,
Antwort gab das Boot aus Planken,
Redet so das hakenreiche:
„Geht doch nicht mein Stamm, der große,
Nicht die lieben Brüder Böte
Ungestoßen in das Wasser,
Ungetrieben in die Fluthen,
Wenn sie nicht die Hand berühret,
Nicht der Arm sie vorwärts schiebet.“
Sprach der alte Wäinämöinen
Wirst du ungerudert laufen,
Ohne alle Hülf’ der Ruder,
Ohne allen Dienst des Steuers,
Ohne Wind in deinen Segeln?
Antwort gab das Boot aus Planken,
Redet’ so das hakenreiche:
„Geht doch nicht mein Stamm, der große,
Auch kein andrer aus dem Haufen
Ungerudert von den Fingern,
Ohne allen Dienst des Steuers,
Ohne Wind in seinen Segeln.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst gerudert du denn laufen,
Mit den Rudern fort’beweget,
Von dem Steuer fortgetrieben,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_231.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)