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Kauko an der Landzung’ Busen;
Kauko weinte hier nach Fischen,
Nach dem Brote Lemminkäinen,
Ahti ob der Kammer Kleinheit,
Wegen seines schlechten Looses.
     Zimmert an des Bootes Seiten,
An des neuen Nachens Boden
An der Hungerspitze Ende,

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An des Unglücksdorfes Seite.

     Trefflich waren seine Ohren,
Besser dennoch seine Augen,
Warf die Augen hin nach Nordwest,
Wendet’ seinen Kopf zur Sonne,
Sieht von fern den Regenbogen,
Ferner eine Hängewolke.
     War jedoch kein Regenbogen,
War auch keine Hängewolke,
War ein Boot, das weiter fähret,

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War ein Nachen, der da ziehet

Auf des Meeres klarem Rücken,
Auf der weitgestreckten Öde,
An dem Hinterstamm ein Braver,
Voller Kraft ein Mann am Ruder.
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Kenne gar nicht diesen Nachen,
Nicht das Boot von schöner Bauart,
Das aus Suomi jetzo kommet,
Mit dem Ruderschlag von Osten,

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Mit dem Steuer hin nach Nordwest.“

     Fing nun kräftig an zu rufen,
Rief, daß alles wiederhallte,
Rief von seiner Landzung’ Spitze,
Über’s Wasser hin der Lust’ge:
„Wessen Boot ist auf dem Wasser,
Wessen Schifflein in den Wogen?“
     Sprachen aus dem Boot die Männer,
Antwort gaben so die Weiber:
„Wer bist du, o Mann im Walde,

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Welch ein Held du in dem Dickicht,

Daß du dieses Boot nicht kennest,
Nicht das Fahrzeug von Wäinölä,
Nicht den Mann am Steuer kennest,
Nicht den Helden an dem Ruder!“
     Sprach der muntre Lemminkäinen
„Kenne wohl den Steuerhalter
Und erkenne auch die Rudrer;
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Sitzet selbst am Steuerruder,

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Ilmarinen aber rudert;

Wohin ziehet ihr, o Männer,
Wandert ihr, o guten Helden?“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Wandern grade nun nach Norden
Gegen starke Wellenschichten,
Durch die schaumbedeckten Fluthen,
Um den Sampo zu gewinnen,
Um zu schau’n den bunten Deckel
Aus dem Steinberg von Pohjola,

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Aus des Kupferberges Innerm.“

     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„O du alter Wäinämöinen!
Sollst auch mich als Mann nun nehmen,
Mich als dritten Helden rechnen,
Da du ziehst den Sampo heben,
Seinen Deckel fortzutragen!
Werde wohl als Mann noch gelten,
Wenn das Schlagen nöthig würde,
Geb’ Befehle meinen Händen,

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Meinen Schultern gute Lehren.“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Nahm den Mann mit zu der Reise
In das Boot den muntern Burschen;
Selbst der muntre Lemminkäinen
Kommt nun hastig angestiegen,
Eilt herbei mit leichten Schritten,
Bringet mit sich Seitenleisten
Zu dem Boote Wäinämöinen’s.
     Sprach der alte Wäinämöinen:

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„Ist schon Holz an meinem Boote,

Seitenleisten an dem Fahrzeug,
Ohnehin ist gut geladen,
Weßhalb bringst du Seitenleisten,
Holz du noch hinzu zum Boote?
     Sprach der muntre Lemminkäinen:

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_233.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)