Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 286.jpg

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Schwimmet durch den Sund geschwinde,
Schreitet durch die Strecke eilends,
Machet einen Schritt, den zweiten,
Schreitet auf des Nordlands Ufer.
     Sprachen so des Nordens Söhne,

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Redet so der schlimme Haufen:

„Gehe auf den Hof Pohjola’s!“
Nach dem Hof Pohjola’s ging er.
     Sprachen so des Nordens Söhne;
Redete der schlimme Haufen:
„Komme nach Pohjola’s Stube!“
Nach Pohjola’s Stube ging er;
Setzt den Fuß nun in das Vorhaus,
An den Thürgriff seine Hände,
Dringet darauf in die Stube,

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Schreitet unter die Bedachung.

     Trinken Honigtrank dort Männer,
Schlürfen von dem süßen Seime,
Haben Schwerter in dem Gürtel,
Haben Waffen dort die Helden
Zu dem Untergange Wäinö’s,
Zu dem Tod Suwantolainen’s.
     Fragen also den Gekommnen,
Sprachen Worte solcher Weise:
„Was wirst, schlechter Mann, du sagen,

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Was, o Schwimmheld, du verkünden?

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Werde von dem Monde sprechen,
Wunderbarlich von der Sonne;
Wohin uns die Sonn’ geeilet,
Wo der Mond wohl hingesunken?“
     Sprachen so des Nordens Söhne,
Redet so der schlimme Haufen:
„Dorthin ist die Sonn’ entwichen,

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Sonne und auch Mond gestürzet

In den Stein mit buntem Busen,
In den eisenfesten Felsen;
Kommen dorther nicht in Freiheit,
Können nicht erlöset werden.“
     Sprach der alte Wäinämöinen,
Selber Worte solcher Weise:
„Kommt der Mond nicht aus dem Steine,
Aus dem Felsen nicht die Sonne,
Wollen an den Kampf wir gehen,

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Mit dem Schwerte wir beginnen!“

     Zog das Schwert, enthüllt das Eisen,
Ziehet aus der Scheid’ das wilde,
An der Schneide schien das Mondlicht,
An dem Griffe glänzt’ die Sonne,
Auf dem Rücken stand ein Rößlein,
An dem Knopf miaut ein Kätzchen.
     Messen darauf ihre Schwerter,
Prüfen eilends ihre Klingen;
Nur ein kleines Stückchen länger

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War das Schwert des alten Wäinö,

Um des Gerstenkornes Dicke,
Um die Breite eines Strohhalms.
     Gingen auf den Hof nach außen,
Auf die flachgebahnten Fluren;
Hieb der alte Wäinämöinen
Darauf einmal, daß es blitzte,
Hauet einmal, haut das zweite,
Schälet da gleich Rübenwurzeln,
Schlägt da ab gleich Flachses Köpfen

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Dort der Nordlandssöhne Köpfe.

     Ging der alte Wäinämöinen
Darauf um den Mond zu sehen,
Um die Sonne sich zu holen
Aus dem Stein mit buntem Busen,
Aus dem stahlgefüllten Berge,
Aus dem eisenfesten Felsen.
     War ein wenig nur gegangen,
Eine kleine Streck’ geschritten,
Sieht da eine grüne Insel,

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Darauf eine schöne Birke,

Einen Steinblock an der Birke,
An dem Steinblock einen Felsen,
Neun der Thüren an dem Felsen,
Hundert Riegel an den Thüren.
     Sieht da einen Spalt im Steine,
Einen schwachen Streif am Felsen;
Zieht das Schwert aus seiner Scheide,
Kratzet auf dem Stein gar Buntes

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_286.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)