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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Als er in Holland ankam, war er mit seinem Proviant zu Rande; da er aber gehört hatte, hier sei jedermann reich und Christ, so dacht’ er, es würd’ ihm hier so gut gehn, als im Schlosse des Herrn Barons, bevor er Barones Gundchen’s schöner blauer Augen halben daraus war gejagt worden.

Er sprach viele gravitätsche Alongeperüken, die sich bei ihm vorbeischoben, und viele ehrbare alte Hauspostillen, die bey ihm wegtrippelten, um einen Zehrpfennig an; allein diese so wohl wie jene rükten mit nichts hervor, als mit der Ermahnung: diese Lebensart fahren zu lassen, sonst würde man ihn im Raspelhause unterbringen.

Hierauf wandt’ er sich an einen Mann, der eine Stunde lang ganz allein in einer grossen Versammlung über christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit gesprochen hatte. Dieser Redner sah’ ihn über die Schulter an, und sagte: Freund, warum seid Ihr hieher kommen? Um Euch zu dem kleinen Häuflein der Gerechten und Stillen im Lande zu gesellen? Oder waserlei ist die Ursach?

Jegliche Wirkung hub Kandide in bescheidnem Tone an, hat ihre Grundursach; jegliche Begebenheit unsers Lebens ist ein nothwendiges Glied in der Kette der Dinge; ist selbiger

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_015.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)