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Voltaire: Kandide. Erster Theil

weit beständiger. Warlich, die neue Welt ist die beste unter allen möglichen Welten.

Kunegunde. Das gebe Gott! nur wahren Sie sich, daß man Sie nicht blessirt oder todt schiest, und wir beide unglüklich werden. Ich kann mich gar nicht beruhigen, denn ich habe in unsrer Welt schon so gräsliches Elend ausgestanden, daß kein Stral der Hofnung mehr in meine Seele sich hineinstiehlt.

Die Alte. Was das für ein Gethue, für ein Geklage ist! Wären Sie an meiner Stelle gewesen, Sie sollten auf einem gar andern Loche pfeifen. Ich kann noch ein Liedchen von Unglüksfällen singen.

Kunegundens Mund zog sich ein wenig zum Lächeln; es kam ihr drollicht vor, daß die alte Mutter behauptete, sie sei unglüklicher, wie sie. Haben Euch, sagte sie, nicht zwei Bulgaren geschändet; habt Ihr nicht zwei Degenstiche in den Leib bekommen; sind nicht zwei von Euren Schlössern verwüstet worden; hat man nicht vor Euren Augen zwei Väter und zwei Mütter ermordet; und habt Ihr nicht zwei von Euren Liebhabern im Autodafe stäupen sehn: so seh’ ich nicht ab, wie Ihr Euch unglüklicher nennen könnt, als ich. Erwägt noch überdem, daß ich Barones bin, meine einundsiebzig Ahnen aufweisen

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)