Seite:Kandide (Voltaire) 053.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Voltaire: Kandide. Erster Theil

mitten in dem bunten Zirkel von Ergezlichkeiten. Was für Erwartungen machte man sich nicht von mir; was für Ehrerbietung erwies man mir nicht; was für Liebe flößt’ ich nicht schon ein!

Mein Busen wölbte sich bereits. Es war ein Busen, der an Weisse und Festigkeit und Ründung dem Busen der Mediceischen Venus glich! Das Auge, wie zaubrisch! die Wimpern, wie meisterhaft! die Augenbrauen rabenschwarz! und die Glut, die in meinen Augäpfeln lag, überstralte das ganze Sternenheer, wie die Poeten aus dem Stadtviertel sangen. Meine Kammerweiber, wenn sie mich auszogen und so von vorn’ und hinten beschauen konnten, waren wie in’s Paradies verzükt; alle Mannspersonen wünschten sich an ihre Stelle.

Ich ward mit dem regierenden Fürsten von Massa Carara versprochen. Ein gar süsser, herrlicher Junge! Ganz Geist, und ganz glühende, schwärmende Liebe! und völlig so dichtrisch schön gebildet, wie ich! Er war meine erste Liebschaft! sonach liebte ich ihn mit der innigsten Wärme, macht’ ihn zum Abgott meiner Seele.

Man traf Anstalten zum Beilager. Was war da für Pomp! für unerhörte Pracht! Was für ein Zirkeltanz von Lustbarkeiten. Feste ketteten sich an Feste, Ringelrennen an Ringelrennen,

Empfohlene Zitierweise:
Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_053.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)