Seite:Kandide (Voltaire) 058.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Voltaire: Kandide. Erster Theil

Solcherlei Scenen wurden bekanntermaassen in einem Bezirk von mehr denn dreihundert Meilen gespielt, ohne daß man deshalb die fünf Gebete vergas, die Mahomet täglich zu beten befohlen hat.

Es ward mir sehr sauer, mich unter der Menge auf einander geschichteter blutiger Leichname hervorzuarbeiten. Ich schleppte mich nach einem grossen Pomeranzbaum, der am Rande eines nahen Bachs stand. Entsezen und Müdigkeit, Verzweiflung und Hunger hatten mich so erschöpft, daß ich sogleich umsank und bald darauf einschlummerte.

Es war mehr Ohnmacht, als Schlaf, worinn ich mich befand. In diesem Mittelzustande zwischen Leben und Tod, in dieser Art von Hinbrüten mocht’ ich eine Weile gelegen haben, als ich eine Last auf mir liegen fühlte, und mein Körper Erschüttrungen bekam. Ich blikte auf, und ward einen wohlgebildeten jungen weissen Mann gewahr. Er seufzte und murmelte zwischen den Zähnen: O che sciagura d’essere senza coglioni.

Empfohlene Zitierweise:
Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)